Bist Du bereit für die Wüste?

Mit dieser Frage werben die Organisatoren der diesjährigen Sommeruni der Ben-Gurion-University in Beer Sheva/ Israel auf Postkarten und Plakaten für ihr Austauschprogramm. Es ist eine etwas sonderbare Frage im Zusammenhang mit Israel – bei dem man nicht ohne weiteres sofort an Palmen und Sonne denkt, auch wenn es beides in diesem Land zuhauf gibt. Aber vielleicht führt gerade dieses Werbemotiv mit provokanter Frage über die Irritation zur nötigen Aufmerksamkeit, um sich näher mit diesem Programm zu beschäftigen.

Und es lohnt sich tatsächlich: seit Jahren organisiert das Center für Overseas Studies der Ben-Gurion-University of the Negev die Internationale Sommeruniversität und wie jedes Jahr haben sich wieder mehr als 50 Studierende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in Beer Sheva, im Süden Israels, eingefunden, um sechs Wochen lang Hebräisch zu lernen und in einem sehr differenzierten akademischen Rahmenprogramm mehr über das Land und seine Menschen zu erfahren.

Vom 17.-19. August war ich selbst als Gast der Sommeruni eingeladen, um einen Vortrag über die aktuelle Wechselausstellung „Das war spitze!“ zu halten. Es war ein interessanter Austausch mit den Studierenden, die sich aus unterschiedlichen Gründen und mit den verschiedensten Fachrichtungen in Beer Sheva eingefunden haben.

Dass Israel ein Land mit unterschiedlichsten Realitäten ist, zeigen die Nachrichten über diesen Landstrich immer wieder. Und auch die Tage in Israel rund um meinen Vortrag in Beer Sheva waren von einer eindrücklichen Vielfältigkeit und irritierenden Widersprüchlichkeit geprägt. Dank der Temperaturen herrschte hochsommerliche Langmut. Melonen, Eiskaffee und das Mittelmeer begleiteten viele Israelis durch den Tag. Aber doch ist die Stimmung diesen Sommer anders, ganz anders: Derzeit gehen Tausende Menschen im Land auf die Straße, harren über Wochen trotz Hitze, Staub und Autolärm in provisorischen Zeltstädten aus, überall im Land. Am Anfang forderten sie nur bezahlbare Wohnungen, mittlerweile geht es ihnen um so gut wie alles und wenn es ein Stichwort braucht, dann ist es wohl der Wunsch nach sozialer Gerechtigkeit. Die tiefen Gräben in der israelischen Gesellschaft scheinen in diesen Wochen nicht mehr ganz so unüberwindbar und an den Straßenecken und Cafés sieht und hört man viele Menschen miteinander diskutieren. Wenn man ihnen zuhört, sind die Gespräche hitzig und leidenschaftlich, aber sie reden über Bildung und das Gesundheitssystem, nicht über die Zweistaatenlösung und das scheint eine ganz neue Perspektive aufzumachen. So als müsse man im Innern anfangen und sich allmählich nach außen zu dem schwierigen Ganzen, den am stärksten verhärteten Zonen vorarbeiten.

Auch in Beer Sheva sind Anfang August 15.000 Menschen auf die Straße gegangen, so viele wie nie zuvor in der Geschichte der Stadt. Bei meiner Ankunft auf dem Unicampus spürt man diese Atmosphäre noch immer. Hoffnung ist in der Luft und Zuversicht. „Wenn nur die Wut nicht nachlässt…“ sagt mir ein Student. Und dann geht es plötzlich wieder ganz schnell: Ein Anschlag auf einen israelischen Bus unweit von Eilat, weitere Übergriffe auf Israelis, Gegenangriff der israelischen Armee auf Ziele im Gaza-Streifen, in den frühen Morgenstunden dann Alarm in Beer Sheva: Raketenbeschuss aus Gaza im Süden Israel… wie der Hase und der Igel setzt sich die Gewaltmaschine wieder in Gang. Für einen Moment scheint das Gesundheitssystem, bezahlbare Mieten, niedrige Milchpreise wieder zweitrangig und das große Ganze übernimmt die Oberhand. Und doch haben sich am darauffolgenden Wochenende wieder Tausende in Tel Aviv zu einem Protestmarsch zusammengefunden. Es war ein Schweigemarsch, aber ein unübersehbarer.

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