Die Dritte Generation: Texte in Leichter Sprache

Ausstellungsansicht: Es sind verschiedene Kunstwerke im Raum zu sehen: Eine Zeichnung, eine Skulptur, eine achtteilige Fotoserie und eine bunte Tapete.
Ausstellungsansicht „Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“ im Jüdischen Museum München, Foto: Eva Jünger

Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis

Diese Ausstellung beschäftigt sich mit
den Erinnerungen von jüdischen Familien.
Die Dritte Generation sind die Enkel-Kinder von Menschen,
die im Holocaust unvorstellbar leiden mussten.

Der Holocaust war ein Völker-Mord.
Die National-Sozialisten haben ganz genau geplant,
wie sie verschiedene Volks-Gruppen in Europa ermorden.
Solche Volks-Gruppen waren zum Beispiel:
Jüdinnen und Juden oder Sinti und Roma.

Für den National-Sozialismus waren alle diese Menschen nicht wertvoll.
Der National-Sozialismus war eine politische Richtung unter
Adolf Hitler in den Jahren 1933 bis 1945.

Die Groß-eltern haben ihre Erinnerungen an die schlimmen Erlebnisse und
Erfahrungen aus dieser Zeit weiter-gegeben.
Die Kinder und Enkel-Kinder sind mit den Erinnerungen aufgewachsen.
Der Holocaust bleibt deswegen im Gedächtnis von den Familien.
In der Ausstellung setzen sich Künstler und Künstlerinnen mit ihrem Erbe auseinander.

Jonathan Rotsztain: Patterns

Jonathan Rotsztain ist ein Künstler aus dem Land Kanada.
Sein Kunst-Werk hat den Namen: Patterns.
Man spricht das so aus: Pätterns.
Das ist Englisch und bedeutet: Muster.

Das Kunst-Werk ist eine Tapete.
Diese Bilder sind gezeichnet wie ein Comic.
Sie ist wie für ein Kinder-Zimmer gemacht,
weil sie so bunt und fröhlich ausschaut.
Aber aus der Nähe schaut die Tapete anders aus:
Dann sieht man dort schreckliche Bilder aus dem Holocaust.

Der Holocaust war ein Völker-Mord.
Die deutschen National-Sozialist*innen haben genau geplant,
wie sie verschiedene Volks-Gruppen in Europa ermorden.
Solche Volks-Gruppen waren zum Beispiel:
Jüdinnen und Juden oder Sinti und Roma.
Die National-Sozialist*innen haben aber auch
andere Menschen politisch verfolgt.

Die Groß-Eltern von Jonathan Rotsztain haben
den Holocaust überlebt.
Sie haben ihm oft von ihren schlimmen Erlebnissen erzählt.
Auch die schrecklichen Bilder vom Holocaust hat er
schon als Kind gesehen.

Diese Bilder und die Geschichten von seinen Groß-Eltern
hat sich der Künstler gemerkt.
Sie sind für ihn immer da.
Er muss nicht erst besonders daran denken. Sie sind wie eine Tapete,
die man jeden Tag sieht.

Mirta Kupferminc: En Camino

Mirta Kupferminc ist eine Künstlerin aus dem Land Argentinien.
Ihr Bild hat den Namen: En Camino.
Man spricht das so aus: En Kamino.
Das ist Spanisch und bedeutet: Auf dem Weg.

Die Eltern von Mirta Kupferminc haben
das Konzentrations-Lager Ausschwitz im Land Polen überlebt.In Konzentrations-Lagern haben die deutschen National-Sozialist*innen
Jüdinnen und Juden ermordet.
Auch andere Volks-Gruppen waren Opfer von
den National-Sozialist*innen.
Zum Beispiel: Sinti und Roma.

Mit ihrem Bild möchte Mirta Kupferminc
die Geschichte von der Flucht von ihren Eltern ausdrücken.
Das Bild soll zeigen:
So schwer ist es für Menschen,
die flüchten müssen.
Sie können in einem anderen Land
nur schwer eine neue Heimat finden.
Und in dem neuen Land ist es oft ganz anders,
als sich die Menschen das vorgestellt haben. Auch spätere Generationen können sich oft nur schwer in der neuen Heimat zurecht-finden.
Man sagt auch:
Diese Menschen sind ent-wurzelt.
Auf dem Bild tragen die Menschen deshalb Bäume,
damit sie diese an einem anderen Ort wieder einpflanzen können.

Rafael Goldchain: I Am My Family

Rafael Goldchain ist ein Foto-Künstler aus dem Land Chile.
Seine Fotos haben den Namen: I Am My Family.
Man spricht das so aus: Ei Äm Mei Fämili.
Das ist Englisch und bedeutet: Ich bin meine Familie.

Die Verwandten von Rafael Goldchain stammen
aus dem Land Polen.
Viele von ihnen sind schon vor dem Zweiten Welt-Krieg
nach Süd-Amerika ausgewandert.
Andere sind in Polen geblieben.
Die deutschen National-Sozialist*innen haben sie
dort im Holocaust ermordet.

Als Rafael Goldchain selbst Kinder bekommen hat,
hat er sich mit seiner Familien-Geschichte beschäftigt.
Er wollte auch wissen: Wer bin ich eigentlich selbst?
Dann hat er sein erstes Selbst-Porträt gemacht.
Er schaut dort so aus wie sein Groß-Vater.

Danach hat Rafael Goldchain immer neue Selbst-Porträts gemacht.
Er schaut dort immer so aus wie
jemand anderes aus seiner Verwandtschaft.
Mit diesen Selbst-Porträts trauert Rafael Goldchain um
den Verlust von diesen vielen Verwandten.
Er zeigt damit auch:
Wenn ich mehr über die Verwandten wissen will,
kann ich auch mehr über mich selbst heraus-finden.

Ilana Lewitan: Birken-Wälder

Ilana Lewitan ist eine Künstlerin aus München.
Ihre Familie stammt aber aus Polen.
Die Eltern von Ilana Lewitan haben den Holocaust überlebt.
Ihre Mutter hat über die Zeit im Getto in der Stadt Warschau und
über ihre Flucht gesprochen.

Ein Getto war ein eigenes Stadt-Viertel für Jüdinnen und Juden.
Dort haben die deutschen National-Sozialist*innen sie
von der übrigen Bevölkerung getrennt.
Die Menschen waren im Getto eingesperrt.
Viele sind dort an Krankheiten und vor Hunger gestorben.

Der Vater von Ilana Lewitan hat über sein Leiden im Holocaust
fast nichts erzählt.
Aber eine Geschichte von ihm hat die Tochter gekannt:
Er hat überlebt,
weil er sich immer wieder im Wald versteckt hat.

Für den Vater war der Wald ein Ort,
in dem er Schutz gefunden hat.
Aber der Wald war für ihn auch ein dunkler Ort,
in dem er Angst gehabt hat.

Die Gefühle von Schutz und die Gefühle von Angst
zeigen sich in den Arbeiten von Ilana Lewitan.
Wälder sind für sie sehr wichtig.
Mit ihren Bildern vom Wald kann sie über sich selbst nachdenken.
Sie denkt auch über das Trauma nach,
das eine Generation an die nächste weiter-gibt.

Ein Trauma entsteht durch eine sehr schlimme Erfahrung,
wie es zum Beispiel der Holocaust war.
Ein Trauma hinter-lässt
tiefe Wunden in den Seelen von den Betroffenen.
Das kann ein ganzes Leben lang nachwirken. Ein Trauma kann zum Beispiel Ängste oder Traurigkeit auslösen.
Diese schlimmen Erfahrungen und Erlebnisse können sich
auch noch auf die nächste Generation auswirken.
Dann spricht man von einem vererbten Trauma.

Tallit

Ein Tallit ist ein Gebets-Mantel,
den viele Juden bei ihren Gebeten über der Schulter tragen.
Dieser Tallit hat Isak Aron Rosen aus der Stadt Wien gehört.
Die deutschen National-Sozialist*innen haben ihn im Jahr 1940
im Konzentrations-Lager Buchenwald ermordet.

In Konzentrations-Lagern haben die deutschen National-Sozialist*innen
Jüdinnen und Juden ermordet.
Auch andere Volks-Gruppen waren Opfer von
den National-Sozialist*innen.
Zum Beispiel: Sinti und Roma.

Die Frau von Isak Aron Rosen haben die National-Sozialist*innen
2 Jahre später im Getto Izbica im Land Polen ermordet.
Ein Getto war ein eigenes Stadt-Viertel für Jüdinnen und Juden.
Dort haben die deutschen National-Sozialist*innen sie
von der übrigen Bevölkerung getrennt.
Die Menschen waren im Getto eingesperrt.
Viele sind dort an Krankheiten und vor Hunger gestorben.

Die 4 Kinder vom Ehe-Paar Rosen haben überlebt.
Die Tochter Fanny konnte diesen Tallit noch
bei ihrer Flucht aus Wien mitnehmen.
Er erinnert die Familie Rosen daran,
dass sie im Holocaust viele Verwandte verloren hat.

Der Tallit ist auch ein Symbol für das Überleben.
Und er ist ein Symbol für die Stärke,
die über viele Generationen die Familie miteinander verbindet:
Diesen Tallit haben die 2 Enkel-Kinder von Isak Rosen
bei ihren Hochzeiten verwendet.

Gitarre aus Theresienstadt

Der Architekt Hans Smetana war ein Häftling im
Getto Theresienstadt im Land Tschechien.
Ein Getto war ein eigenes Stadt-Viertel für Jüdinnen und Juden.
Dort haben die deutschen National-Sozialist*innen sie
von der übrigen Bevölkerung getrennt.
Die Menschen waren im Getto eingesperrt.
Viele sind dort an Krankheiten und vor Hunger gestorben.

Im Jahr 1943 hat er im Getto Theresienstadt
eine Gitarre gebaut.
Das war verboten.
Er hat sie aber heimlich aus Holz und
aus anderen ungewöhnlichen Materialien gemacht.

Hans Smetana hat einen Brief über den Bau von
der Gitarre geschrieben.
Der Brief ist wie von der Gitarre selbst geschrieben.
Der Brief erinnert gleichzeitig an
das Leben und an das Sterben im Getto Theresienstadt.

Von Theresienstadt sind Hans und Melita Smetana im Jahr 1944 in
das Konzentrations-Lager Auschwitz gekommen.
In Konzentrations-Lagern haben die deutschen National-Sozialist*innen
Jüdinnen und Juden ermordet.
Auch andere Volks-Gruppen waren Opfer von
den National-Sozialist*innen.
Zum Beispiel: Sinti und Roma.

Die deutschen National-Sozialist*innen haben
das Ehe-Paar Smetana in Auschwitz ermordet.

Die Gitarre ist in Theresienstadt geblieben.
Eine andere Gefangene hat sie nach ihrer Befreiung
nach München gebracht.
Im Jahr 2015 ist die Gitarre als Geschenk in
das Jüdische Museum München gekommen.

Gegenstände aus Silber

Die Gegenstände in diesem Schau-Kasten haben
Jüdinnen und Juden aus München gehört.
Sie mussten ab dem Jahr 1939
alle Gegenstände aus Silber abgeben.
Man hat dazu gesagt: Silber-Zwangs-Abgabe.

Das Leih-Amt von der Stadt München hat
die Gegenstände genommen.

Das Stadtmuseum und das Bayerische Nationalmuseum
haben dann einige von diesen Gegenständen gekauft.

Das war aber kein normaler Kauf,
weil man die alten Besitzer*innen dazu gezwungen hat.
Die Museen haben in ihren Sammlungen
mehr als 200 Gegenstände aus Silber gefunden.
Sie wollen diese Gegenstände jetzt zurück-geben.

Im November 2024 hat das Stadtmuseum
die Verwandten von den alten Besitzer*innen eingeladen.
Sie sind aus Israel, Italien, England, den Niederlanden,
den USA und Argentinien nach München gekommen.
Viele waren zum ersten Mal in Deutschland.
Ein solches Treffen gibt es auch in diesem Jahr wieder.

Viele Familien haben die Gegenstände dem Jüdischen Museum und
dem Stadtmuseum geschenkt.
So erinnern sie hier an ihre ehemaligen Besitzer*innen und
an den Raub von den Gegenständen.

Helena Czernek und Aleksander Prugar: Mesusa

Helena Czernek und Aleksander Prugar sind
ein Künstler-Paar aus dem Land Polen.
Auf einer Reise durch Ost-Europa haben sie
nach Spuren aus der jüdischen Vergangenheit gesucht.
Sie haben dabei Häuser gefunden,  
in denen früher Jüdinnen und Juden gewohnt haben.

Dort haben sie in Tür-Rahmen kleine Vertiefungen gefunden.
In diesen Vertiefungen war früher eine Mesusa.
Eine Mesusa ist eine kleine Kapsel mit
einer kleinen Schrift-Rolle.
Darauf steht ein jüdisches Gebet.
Die Mesusa ist wichtig in den Wohnungen von
gläubigen jüdischen Menschen.

Czernek und Prugar haben eine Technik erfunden,
wie man eine Mesusa wieder-herstellen kann:
Sie machen einen Abdruck von der Vertiefung im Tür-Rahmen.
Dann machen sie mit diesem Abdruck eine Guss-Form.
In diese Form gießen sie das Metall Bronze.
So entsteht eine neue Mesusa.

Im Jahr 2014 haben Czernek und Prugar
die Firma Mi Polin gegründet.
Sie stellen dort moderne jüdische Kunst-Gegenstände her.
Seit dem Jahr 2023 haben sie auch ein eigenes Museum.

Valérie Leray: Place With No Name

Valérie Leray ist Künstlerin und Fotografin aus
dem Land Frankreich.
Ihre Foto-Serie hat den Namen: Place With No Name.
Das spricht man so aus: Plaiss wiss nou Najm.
Das ist Englisch und bedeutet: Ort ohne Namen.

Die Groß-Eltern von Valérie Leray waren aus
der Volks-Gruppe von den Roma.
Die Groß-Eltern haben den Holocaust überlebt.

Der Holocaust war ein Völker-Mord.
Die deutschen National-Sozialist*innen haben genau geplant,
wie sie verschiedene Volks-Gruppen in Europa ermorden.
Solche Volks-Gruppen waren zum Beispiel:
Jüdinnen und Juden oder Sinti und Roma.
Die National-Sozialist*innen haben aber auch
andere Menschen politisch verfolgt.

Die Fotos zeigen Gefangenen-Lager,
in denen Angehörige von den Roma und Sinti gelitten haben.
Die deutschen National-Sozialist*innen haben sie
dort auch ermordet.

Auch Verwandte von Valérie Leray waren dort.
Sie fotografiert die Reste von diesen ehemaligen Lagern.
Man erkennt:
Dort gibt es keine Denkmäler und keine Erinnerungs-Tafeln.
Diese Orte wirken verlassen.
Sie haben keinen Namen.

Valérie Leray will mit ihren Fotos zeigen:
An diesen Orten gibt es keine Erinnerung an
die Verfolgung von den Sinti und von den Roma.

Alfred Ullrich: Window Pain

Alfred Ullrich ist ein Künstler aus München.
Seine Kunst-Werke haben den Namen: Window Pain.
Man spricht das so aus: Win-dou Pejn.
Das ist Englisch und bedeutet: Fenster-Schmerz.

Die Mutter von Alfred Ulrich war
eine Sinteza aus der Stadt Wien.
Eine Sinteza ist eine Frau aus der Volks-Gruppe von den Sinti.
Viele von den Verwandten von Alfred Ullrich waren
in Konzentrations-Lagern.
Dort haben die deutschen National-Sozialist*innen
Jüdinnen und Juden ermordet.
Auch andere Volks-Gruppen wie Sinti und Roma waren
Opfer von den National-Sozialist*innen.
Der ältere Bruder von Alfred Ulrich war einer von den Opfern.

Alfred Ullrich macht Druck-Grafiken von Spitzen-Vorhängen.
Spitzen bedeutet hier:
kunst-volle Hand-Arbeiten mit Loch-Mustern.
Solche Vorhänge waren im Wohnwagen von seiner Mutter.
Sie hat nach ihrer Befreiung aus dem Konzentrations-Lager mit
solchen Spitzen gehandelt.
Alfred Ullrich erinnert sich auch an Frau Zeinler.
Sie war die Geschäfts-Partnerin von seiner Mutter und
sie war eine Jüdin.

Beide Frauen hatten wegen ihrer Herkunft als
Jüdin und als Sinteza ähnliche Erfahrungen:
Sie waren aus der Gesellschaft ausgeschlossen und
die deutschen National-Sozialist*innen haben sie verfolgt.
Das hat sie sehr verbunden.


Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis
Eine Ausstellung des Jüdischen Museums München
April 2025 – März 2026

KURATOR*INNEN
Sabine Apostolo, Gabriele Kohlbauer-Fritz (Wien) | Ulrike Heikaus, Yuval Schneider (München)

ÜBERSETZUNG LEICHTE SPRACHE
ARGUS! Kultur&Kommunikation, Dr. Jörg Haller, München