Fritz Bauer – erst verhasst, jetzt fast vergessen

"Deutschland wurde eines bedeutenden Zeugen eines besseren Deutschlands beraubt", sagte ein erschütterter Robert Kempner, Chefankläger der USA bei den Nürnberger Prozessen, als der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer 1968 Tod in der Badewanne aufgefunden wurde. In der heutigen Zeit, wo Humanismus gerne wieder lapidar als Gutmenschentum abgetan wird, ist es höchste Zeit ein Buch über das Leben des in Vergessenheit geratenen Holocaust-Überlebenden und Nazi-Jägers Fritz Bauer zu lesen. Der SZ-Journalist Ronen Steinke hat das Leben des vielfach angfeindeten Juristen aufgeschrieben und ist am 24. Februar bei uns zu Gast.

Einigen ist Fritz Bauer heute vor allem wegen seiner wichtigen Rolle beim Zustandekommen des Auschwitz-Prozesses ein Begriff. Aber der ehemalige hessische Generalstaatsanwalt hat aus heutiger Sicht eine noch viel größere Bedeutung für die Aufarbeitung der Naziverbrechen in Deutschlands.

Immer wieder musste sich der auf Gerechtigkeit pochende Strafverfolger „Humanitätsduselei“ vorwerfen lassen. Dabei konnte man ihm Naivität sicher nicht vorhalten. Als Holocaus-Überlebender wusste Bauer, wozu der Mensch fähig ist. Doch im Nachkriegsdeutschland hatte der 1903 in Stuttgart geborene Sohn jüdischer Eltern einen aus heutiger Sicht unverständlich schweren Stand als Nazi-Strafverfolger.

Seine Erwartungen an die Unabhängigkeit des deutschen Rechtssystems waren entsprechend gering. So gering, dass er den argentinischen Wohnort Adolf Eichmanns lieber gleich an seine israelischen Kollegen meldete.

Fritz Bauer zwang die Deutschen zum Hinsehen: Inmitten einer Justiz, die in der jungen Bundesrepublik noch immer von braunen Seilschaften geprägt war, setzte der deutsch-jüdische Jurist den großen Frankfurter Auschwitz-Prozess durch. Die oft erschreckend detaillierten Aussagen der Angeklagten und Zeugen hat das Fritz-Bauer-Institut nun komplett als MP3 ins Netz gestellt. Hier können Sie die Auschwitz-Protokolle nachhören.

Der Jurist und SZ-Journalist Ronen Steinke beleuchtet das Leben des Mannes, der im Deutschland der Nachkriegszeit so sehr angefeindet wurde. Das Buch „Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht“ ist die Biografie eines großen Juristen und Humanisten, dessen persönliche Geschichte zum Politikum wurde: auch als deutscher Jude, der selbst nur knapp der NS-Verfolgung entkommen war.

Im Foyer des Jüdischen Museums laden wir in Kooperation mit der Liberalen Jüdischen Gemeinde München Beth Shalom am 24. Februar zu einer Lesung und Diskussion.

DI | 24.02.2015 | 19 Uhr | Eintritt 8 Euro, erm. 6 Euro
Kartenreservierung Literaturhandlung: Tel. 089 / 2800135
Fritz Bauer – der Mann, der Auschwitz vor Gericht brachte
Lesung und Diskussion mit dem Biografen Ronen Steinke (Süddeutsche
Zeitung), Moderation: Joachim Käppner (Süddeutsche Zeitung)

Ein spannendes Fundstück in diesem Zusammenhang ist Fritz Bauers Auftritt in der Sendung „Kellerclub“ des Hessischen Rundfunks 1964.