„Wer zeugt für den Zeugen“

Gestern war Herr Prof.  Jeffrey A. Barash zu Besuch im Jüdischen Museum und hielt einen Vortrag über Erinnerungskulturen (siehe Foto). Die Zuhörer lauschten gespannt seinen Worten. Über die  Reihe "Wer zeugt für den Zeugen?" schreibt die Ideengeberin Frau Prof. Dr. Dorothee Gelhard folgendes:

Die Ringvorlesung „Wer zeugt für den Zeugen“ ist ein Experiment: Sie findet nicht nur in zwei Städten, sondern auch an zwei „Diskursorten“: an der Universität und im Museum statt. Damit wird gewissermaßen auch äußerlich markiert, was vor allem natürlich inhaltlich versucht werden soll: Eine Überschneidung und Begegnung zwischen den Fragen, die die Literaturwissenschaft zur Zeit umtreibt und dem, was uns gesellschaftspolitisch und kulturell in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen wird. Auf der einen Seite können wir nämlich in der Literaturwissenschaft nach dem Ende der großen Theorien und Ideologien der letzten Jahrzehnte nunmehr beobachten, dass das Reale, d.h. gerade auch die Fragen um die Authentizität und Unmittelbarkeit  zurückkehren und auf der anderen Seiten haben wir ganz konkret das Problem, dass die Augenzeugen der Shoah wegsterben und wir damit umgehen müssen, Erfahrungen, die wir nicht selbst gemacht haben, weitergeben zu wollen.

„Niemand zeugt für den Zeugen“ lauten die letzten Verse in Paul Celans Gedicht Aschenglorie. Der Zeuge steht in Celans Gedichten ein für ein Anderes, für das Eingedenken des Schicksals anderer und für Geschehen, die sonst dem Vergessen oder Verdrängen preisgegeben sind. Zeugnis ablegen bedeutet, die eigene Person für die Wahrheit der Geschichte einzusetzen. Doch das Zeugnis wird erst dann zu einem wirklichen Zeugnis, wenn es sich an einen anderen richtet und Gehör findet. Ohne Publikum verliert das Zeugnis seine bezeugende Kraft.

Wie kompliziert dieser Grad aber zwischen bezeugen und Dokumentation, zwischen Erinnern und Imagination ist, dem soll in den einzelnen Vorträgen versucht werden, genauer auf den Grund zu gehen. Frau Prof. Dr. Dorothee Gelhard, Universität Regensburg

Die nächste Veranstaltung im Jüdischen Museum der Ringvorlesung „Wer zeugt für den Zeugen?“ findet am 01.07.2010 um 18 Uhr statt.  Andreas Isenschmid spricht über „Self displaced person. Peter Szondis problematisches Judentum“.

Foto: Denis Schäfer – fotografienet.de