Besuche größerer Gruppen, Rundgänge, Workshops oder Seminare: Nichts davon ist in Zeiten von COVID-19 in Museen möglich. Für Vermittler_innen? Besonders frustrierend. Selbst der Gedanke an einen ganz gewöhnlichen Arbeitstag im Museum in einer Welt vor dem Virus erhält da eine nostalgische Färbung: Größere Gruppen junger Menschen fielen damals in verschiedensten Zuständen ins Museum ein – die einen verschlafen oder überdreht, die anderen neugierig auf ihren Besuch. Den Vermittler*innen, die sie durchs Haus führten, war bewusst, dass ihr Besuch vielleicht gar nicht auf Freiwilligkeit, sondern auf der Initiative der Lehrkraft beruhte. Umso mehr Ansporn, den Schüler*innen gute Programme zu bieten.
Zurück in die Gegenwart: Glücklicherweise kann man auch an ruhigen, stillen Orten, wie dem Homeoffice, an interessanten, lebendigen Workshops für die Zukunft arbeiten.
Was die meisten Jugendlichen vereint, die ins Jüdische Museum München kommen: Aus dem Unterricht kennen sie jüdisches Leben und Kultur vor allem durch den „Blick zurück“, also die historische Perspektive. Die Vielfalt im Hier und Jetzt bleibt da häufig auf der Strecke, falls Jugendliche nicht selbst Teil der jüdischen Community sind bzw. diese kennen. Dabei sagt das Attribut „jüdisch“ zunächst doch recht wenig über einen Menschen aus: Zum Beispiel nicht darüber, auf welche Weise und ob er*sie sich als religiös begreift. Es liefert auch kaum Erkenntnis darüber, wo er oder sie* geboren ist und das Zuhause-fühlen verortet. In Moskau? In Tel Aviv? Im Lehel?
Sofia Sokolov und Viktoria Lewowsky haben sich für ihr Theaterprojekt „Sheyn vi di zibn veltn“ mit verschiedenen Interviewpartner*innen über genau diese Themen unterhalten. Das Kaleidoskop der Lebensentwürfe, das sich in ihrer Wahrnehmung formte, fließt nun in einen Workshop für Jugendliche ein. Wird ein Holzklotz lange genug geschnitzt, reduziert und geformt, so entsteht eine eigenständige neue Figur. Ähnlich verläuft der Prozess, an dessen Ende ein neuer Workshop steht. Zunächst schälen sich aus den Interviews zentrale Passagen heraus: An welchen Stellen erfährt man, wie sich ein Mensch wahrnimmt und wie er oder sie sich von außen wahrgenommen fühlt?
Der fertige Workshop soll die Teilnehmenden außerdem befähigen, eindimensionale Vorstellungen gegen vielschichtige Informationen einzutauschen, wie sich die jüdische Community in München zusammensetzt. Damit ist die „Holzfigur“ fast, aber noch nicht ganz erkennbar. Denn schön wäre es, die interessanten Gesprächspartner*innen zu jedem Workshop hinzuzuschalten. Wünschenswert, aber unmöglich. Daher fertigt derzeit die Comiczeichnerin Barbara Yelin – bekannt u.a. durch die Gaphic Novel über Channa Maron – Illustrationen zu den Interviewpartner*innen an. Sie lassen uns tief in die Gedankenwelt der Menschen eintauchen.
Was jetzt noch fehlt? Diejenigen, die an den Workshops teilnehmen. Ob unausgeschlafen, übermütig oder konzentriert: Das Jüdische Museum München kann kaum erwarten, Euch wieder zu begrüßen.Hier erhalten Sie weitere Informationen zur Theaterperformance „Sheyn vi di zibn veltn“, die im Januar Premiere feierte und nach der Corona-Krise wieder gespielt werden soll. Am Workshop können Jugendliche ab 14 Jahren voraussichtlich ab dem kommenden Schuljahr teilnehmen.
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