Bildgeschichten: Josef und Ida Schülein

Josef Schülein ist eine Legende, bekannt als Münchner Bierbaron oder König von Haidhausen. Seine Frau Ida Schülein ist vor allem für ihr soziales Engagement unvergessen. Ein Doppelporträt.
Collage mit zwei Ölporträts: links Ida Schülein: Die ältere Dame sitzt auf einem Stuhl mit einer großen Lehne und sieht die Betrachtenden ernst an. Sie hat weiße, hochfrisierte Haare und trägt ein dunkelgrünes Kleid mit einem weißen Spitzentuch. Josef Schülein ist im Anzug mit großem Schlapphut und Oberlippenbart porträtiert. Er steckt beide Hände in die Hosentaschen.
Porträt Ida Schülein, Heinrich Knirr, München, 1911, Dauerleihgabe aus Familienbesitz, © JMM, Foto: Eva Jünger; Porträt Josef Schülein, Julius Wolfgang Schülein, München, 1929, JM 03.01/2014, © JMM, Foto: Franz Kimmel

Josef Schüleins Geschichte begann im mittelfränkischen Thalmässing, wo es bis Mitte des 19. Jahrhunderts eine blühende jüdische Gemeinde gab. Dort kam er 1854 in einfachen Verhältnissen zur Welt und arbeitete bei seinem Vater Julius Joel Schülein, einem Tuchhändler und Ladenbesitzer. Nach dessen frühem Tod entschloss sich die Mutter, Jeanette (Nette) Schülein, geb. Gunzenhäuser, um 1870, mit ihrer Familie nach München zu ziehen, um dort im Bankgeschäft, einem boomenden Zweig zu dieser Zeit, Fuß zu fassen. Anfangs noch weitgehend mittellos, war Josef Schülein nur wenige Jahre später gemeinsam mit seinen Brüdern Gustav und Julius Eigentümer einer Bank.

1895 gründeten die Brüder die Unionsbrauerei & Cie. 1903 wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, 1904 fusionierte sie mit der Münchner Kindl AG. Nach der Fusion mit der Löwenbräu AG 1921 kam Schülein in den Aufsichtsrat, sein Sohn Hermann wurde Generaldirektor. Daneben betrieb er gemeinsam mit seinem Sohn Fritz die Schlossbrauerei Kaltenberg.

Die Reklamemarke zeigt das Münchner Knindl, das auf einem Holzfass der Unionsbrauerei sitzt und zwei Maßkrüge in die Luft stemmt.
Reklamemarke Unionsbrauerei Schülein & Cie AG, München, um 1905, JM 80/2015, © JMM, Foto: Franz Kimmel

Von Ida Schülein, geb. Baer (Bär), ist heute nur wenig bekannt, obwohl sie zu ihrer Zeit eine sehr präsente Figur der Münchner Stadtgesellschaft war. Geboren 1861, wuchs sie in einfachen Verhältnissen in Oberdorf am Ipf auf, heute ein Ortsteil von Bopfingen. Wohl um 1880 heiratete sie Josef Schülein und zog zu ihm nach München. Die beiden bekamen in rascher Abfolge sechs Kinder: Julius, Franziska (Mimi), Hermann, Friedrich (Fritz), Elsa und Kurt. Die Familie wohnte einige Jahre Am Einlaß 4 in der Nähe des Viktualienmarktes, ehe sie ein repräsentatives Haus in der Richard-Wagner-Straße 7 bezog, deren Bau Josef Schülein eigens beauftragt hatte.

Ida und Josef Schülein zeigten beide ein hohes soziales Engagement. So organisierte Ida Schülein beispielsweise während des Ersten Weltkriegs in den großen Räumlichkeiten des Münchner-Kindl-Kellers eine kostenlose Armenspeisung, in der täglich über vierhundert Portionen ausgegeben wurden und die sie persönlich leitete. Josef Schülein zahlte Löhne über den tariflichen Vorgaben, gründete Stiftungen und verteilte bei Spaziergängen durch Haidhausen kleine Geldgeschenke an Kinder.

Schwarzweißfoto von einem Platz mit Brunnen und Häusern im Hintergrund. Die Brunnenfigur zeigt einen Mälzerbuben.
Von Josef Schülein gestifteter Brunnen, Schüleinplatz, Berg am Laim, 1930, © Stadtarchiv München, DE-1992-FS-STB-5002

Im Laufe ihres Lebens erkrankte Ida Schülein an Diabetes und sie musste das Fasten an den hohen Feiertagen einstellen, was sie ihrem Enkel zufolge als einzige in der Familie zuvor praktiziert hatte. Die Synagoge wurde nur selten besucht, nur wenige jüdische Traditionen eingehalten; nichts Ungewöhnliches für jüdische Familien im 19. Jahrhundert. Mit 68 Jahren starb Ida Schülein. Begraben wurde sie auf dem Alten Israelitischen Friedhof im Münchner Stadtteil Thalkirchen.

Ihr Porträt zeigt Ida Schülein im Alter von 50 Jahren als eine mitten im Leben stehende Matrone. Stolz und aufrecht sitzt sie auf einem Stuhl mit hoher bestickter Lehne. Sie trägt festliche Kleidung, um die Arme einen Schal und um die Schultern ein für diese Zeit übliches Fichu. Auch ihr Haar ist zeitgemäß frisiert, ihr Schmuck ist prächtig, aber vergleichsweise dezent. Alles in allem handelt es sich bei dem Porträt um eine für diese Zeit und das bürgerliche Milieu sehr typische Auftragsarbeit; seine Besonderheit liegt in der Ausdruckskraft, die viel über die Persönlichkeit der Dargestellten zu erzählen vermag.

Josef Schülein zog sich 1933 auf das Schloss Kaltenberg zurück, wo er im September 1938 starb. Er hatte maßgeblich daran mitgewirkt, München zur weltbekannten Bierstadt zu machen. Vielen blieb der Münchner Bierbaron mit seinem breitkrempigen Schlapphut und buschigem Schnauzbart in Erinnerung, beides gut zu erkennen auf dem Porträt, das sein Neffe Julius Wolfgang Schülein 1929 gemalt hat. Vom Alter schon gezeichnet, steht der Patriarch immer noch entspannt aufrecht, die Hände in den Hosentaschen. Sein Blick ist direkt, vielleicht ein wenig müde, auf den Lippen, versteckt unter dem Bart, ein kleines Lächeln.

Beide Porträts sind noch bis zum 2. März 2025 in der Ausstellung „Bildgeschichten. Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt“ im Jüdischen Museum München zu sehen.

An der Wand hängen die beiden Porträts von Ida und Josef Schülein. Im Vordergrund ist eine Büste von ihm zu sehen.
Ausstellungsansicht „Bildgeschichten“ mit Büste Josef Schüleins, © Jüdisches Museum München, Foto: Eva Jünger