Bildgeschichten: Rita Sachs

Einige Gemälde der Ausstellung „Bildgeschichten. Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt“ stammen noch aus der Sammlung des privaten Sammlers Richard Grimm, die bei der Eröffnung 2007 an das Jüdische Museum München überging. So auch ein Kinderporträt, das mit dem Titel „Die kleine Prinzessin“ zu uns kam. Wer war sie?
Das Ölgemälde zeigt Rita Sachs als junges Kind. Sie trägt ein weißes, mit Gold besticktes Kleid und ein Überkleid aus dunkelblauem Samt mit Spitze. Das Mädchen trägt schulterlange blonde Locken und ein weißes Häubchen. In der linken Hand hält es einen roten Ball. Sie blickt die Betrachtenden ernst an.
Porträt Rita Sachs, Theodor Recknagel, München, 1899, JMGr 1674/2005, © Jüdisches Museum München, Foto: Eva Jünger

Das Kinderporträt des Münchner Malers Theodor Recknagel (auch Recknagl) zeigt die fünfjährige Rita Sachs. Ihr reich verziertes Kleid zeigt Elemente des Barock, Rokoko und Biedermeier. Historisierende Kostümierungen wie diese waren im Münchner Bürgertum um 1900 äußerst beliebt. Die prächtige Aufmachung des Mädchens und das prunkvolle Gemälde verweisen auf gesellschaftlichen Status und wohl auch Elternstolz.

Rita Sachs wurde 1894 als erstes Kind des Kaufmanns Gustav Sachs und dessen Frau Jenny, geb. Hessdoerffer, geboren. Die Eltern waren wenige Jahre zuvor nach München gezogen, wo Gustav Sachs Textilwaren vertrieb. Es folgten zwei jüngere Schwestern, Alice und Edith. Die Familie lebte in der Herzog-Wilhelm-Straße nahe dem Sendlinger Tor. Der Vater war Mitglied der jüdischorthodoxen Bewegung „Agudas Israel“. Rita besuchte das Lyzeum und erhielt Musikunterricht. Sie wurde Opernsängerin, gab Gesangsunterricht und sang Ende der 1920er-Jahre als Sopranistin im Rundfunk-Chor.

1919 heiratete Rita Sachs den Kunsthistoriker Dr. Wilhelm Runge. Vor der Eheschließung konvertierte sie zum Katholizismus und blieb auch nach der Scheidung 1927 gläubige Christin. Dennoch wurde sie aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ab 1933 aus dem deutschen Kulturbetrieb ausgeschlossen und verdiente ihren Unterhalt fortan als Kirchensängerin. Sie verliebte sich in den Rechtsanwalt Max Mayer, der wie sie jüdischer Herkunft und katholisch getauft war. Auch er war Kirchensänger und außerdem leidenschaftlicher Bergsteiger.

Die beiden planten ihre Hochzeit für das Frühjahr 1942. Als Rita jedoch erfuhr, dass ihr Verlobter im November deportiert werden sollte, beschloss sie, die Heirat vorzuziehen. Ihre Freundin Rosa Marx und deren Sohn versuchten, sie von dem Plan abzuhalten. „Man sei die Theresienstraße auf- und abgelaufen, und habe auf sie eingeredet, erinnert sich Richard Marx. Doch Rita Runge blieb bei ihrem Plan. Sie konnte nicht wissen, wohin die Fahrt ging, sie glaubte, das Ziel sei ein Arbeitslager in Polen. Bis heute sieht Richard Marx die Hochzeit vor Augen. Sie fand in der Josefskirche statt. Viele Kirchensänger waren da, und die Hochzeitsgäste weinten. Wenig später ging das Ehepaar zum Sammellager in Milbertshofen.“[1] Von dort aus wurden Rita und Max Mayer am 20. November 1941 nach Kaunas deportiert und dort am 25. November ermordet. Ihre Eltern starben 1942 in Theresienstadt. Den beiden Schwestern war 1939 die Emigration nach London gelungen.

Hier finden Sie die Einträge für Rita und Max Mayer sowie Ritas Eltern Jenny und Gustav Sachs im Biografischen Gedenkbuch der Münchner Juden 1933–1945:

Rita Mayer
Max Mayer
Jenny Sachs
Gustav Sachs

Das Kinderporträt ist noch bis zum 2. März 2025 in der Ausstellung „Bildgeschichten. Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt“ im Jüdischen Museum München zu sehen.

Eine Besucherin betrachtet das Kinderporträt von Rita Sachs.
Ausstellungsansicht „Bildgeschichten. Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt“ mit Kinderporträt Rita Sachs, © Jüdisches Museum München, Foto: Felix Steck

[1] Widmann, Peter: Die Kunst der Frechheit. Ein Maler und das Überleben in München, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.): Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer, München 2003, S. 285f.