#DritteGeneration: Fabian Erik Patzak

Fabian Erik Patzak lebt als Künstler in Wien. In seinen Arbeiten beschäftigt er sich u.a. mit den Themen Migration und Erinnerung. Nach dem Anschluss Österreichs floh seine Familie aus Wien in die USA. In seiner mehrteiligen Serie „Direct Transit“ geht Patzak der Flucht seiner Verwandten nach. „Wheel of Fortune“ zeigt auf einer Weltkarte die gefährliche und turbulente Fluchtroute seiner Urgroßmutter.
Porträt Fabian Erik Patzak beim Zeichnen
Porträt Fabian Erik Patzak, Foto: © Julian Sharp

JMM: Die Arbeiten, die Sie in unserer Ausstellung „Die Dritte Generation. Der Holocaust im familiären Gedächtnis“ zeigen, thematisieren die Emigration Ihrer Familie von Wien in die USA. Was hat Sie an diesem Kapitel Ihrer Familiengeschichte interessiert?

FEP: Meine Hauptmotivation war nicht, Kunst zu machen. Vielmehr hatte ich den Wunsch, all die Geschichten zu sammeln und zu verinnerlichen, die ich als Kind in einer Familie von Emigrant*innen gehört hatte. In den frühen 2010ern, als die letzten Verwandten aus der Generation meiner Großeltern starben, entwickelte meine Mutter eine Sprachstörung, die es für sie unmöglich machte, sich an komplexen Gesprächen zu beteiligen. Bald darauf wurde ich selbst Vater und ich fühlte, dass es an mir lag, das Familiengedächtnis aufrechtzuerhalten. Erst nach und nach, nachdem ich mehr herausgefunden und Dokumente in Archiven entdeckt hatte, fand dieses Kapitel meiner Familiengeschichte seinen Weg in meine künstlerische Praxis.

Ausstellungsansicht mit verschiedenen Bildern Patzaks im Jüdischen Museum
Fabian Erik Patzak: Eric & Elsa, 2017 / Page 9 (Switzerland), 2017 / Wheel of Fortune, 2020 / Large Crumbling Wall II, 2019; Ausstellungsansicht Jüdisches Museum München, Foto: Eva Jünger

JMM: Die Installation Wheel of Fortune, zeigt die Fluchtroute Ihrer Urgroßmutter Elsa Reiss, der noch 1942 über den Mittleren Osten, Indien und Trinidad die Flucht gelang. Was hat es mit diesem „Glücksrad“ auf sich?

FEP: Ralph Seliger veranschaulicht in seinem Text über die Migration Elsas und seiner Eltern, der in meinem Buch Paintings with Stories zu finden ist, die unglaubliche Aneinanderreihung glücklicher Ereignisse, die zu ihrer erfolgreichen Emigration so spät im Krieg führte. Mit dem Glücksrad wollte ich ihren tückischen Fluchtweg, der sie um den halben Globus führte, mit einem Akt des Zufalls zusammenbringen.

JMM: Ihre Urgroßmutter kehrte nach dem Krieg nach Wien zurück. Wie ging es ihr nach ihrer Rückkehr? Und wie war es für Sie, in einer Familie aufzuwachsen, die auf zwei Kontinenten beheimatet ist?

FEP: Elsa war durch und durch Wienerin. Sie fühlte sich der Stadt und ihrer Kultur eng verbunden. In der unmittelbaren Nachkriegszeit, während der US-Besatzung war sie maßgeblich damit beschäftigt, die Rückgabe ihres gestohlenen Eigentums zu erwirken.

Da ich in einer Familie aufwuchs, die durch den Atlantik geteilt war, fühlte ich mich oft als Außenseiter, der in keine Schublade passte. Dieses Thema, das ich aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet habe, zieht sich wie ein roter Faden durch meine Arbeit. Mit zunehmendem Alter erkenne ich aber, dass es immer mehr Menschen gibt, die zwischen zwei oder mehr Kulturen stehen, und dass dies tatsächlich auch eine verbindende Erfahrung ist.