Der Aufbau der Vitrinen ist abgeschlossen und heute wurde mit dem Einrichten der Exponate begonnen. Gleich das erste Exponat, das heute in den Ausstellungsraum kam, ist etwas ganz besonderes – nicht nur, weil es das größte Exponat ist, das wir jemals ausgestellt haben: Die Baisinger Laubhütte.
Während des im Herbst gefeierten Laubhüttenfestes ist es geboten, in Erinnerung an die Wanderschaft der Israeliten in der Wüste sieben Tage in Hütten, deren Dach nur mit Laub bedeckt ist, zu wohnen. Häufig waren diese Laubhütten in Wohnhäuser unter dem Dach eingebaut, wie es etwa im Jüdischen Museum Franken in Fürth der Fall ist. Es gab aber auch mobile Laubhütten, die vor den Feiertagen im Garten aufgebaut wurden und während des restlichen Jahres zerlegt gelagert werden konnten. Eine solche Laubhütte hat sich in Baisingen, einem Dorf mit einer ehemals großen jüdischen Gemeinde bei Rottenburg am Neckar erhalten.
Die „Baisinger Laubhütte“ wurde seit den 1920er Jahren von der Metzgersfamilie Giedeon verwendet. Als nach der Deportation der letzten Baisinger Jüdinnen und Juden deren Hinterlassenschaften versteigert wurden, gelangte sie in den Besitz eines nichtjüdischen Baisingers. Sie wurde als Hühnerstall und später auch als Werkzeugschuppen verwendet.
In den 1980er Jahren wurden Studierende des Tübinger Ludwig-Uhland-Instituts im Rahmen eines Projekts zum Nationalsozialismus im Landkreis Tübingen auf die Laubhütte aufmerksam und erwähnten sie in einem Ausstellungskatalog und einer Magisterarbeit. Ihr Wert als Kulturdenkmal wurde damals jedoch nicht erkannt. Die Laubhütte geriet wieder in Vergessenheit und diente weiter als Werkzeugschuppen.
Als ich im Jahr 2000 mit israelischen Kollegen eine Studienreise zu süddeutschen Landsynagogen unternahm, kamen wir auch nach Baisingen, wo wir die zu einer Gedenkstätte gestaltete Synagoge besichtigten und bei einem Rundgang durch das kleine Dorf auch auf die Laubhütte stießen. Einige Tage später machte ich den damaligen Direktor der Außenstelle Tübingen des Landesdenkmalamtes, Prof. Hubert Krins und den Leiter des Kulturamtes Rottenburg, Dr. Karlheinz Geppert, auf sie aufmerksam.
Sie setzten sich engagiert für die Rettung der Laubhütte ein, die schließlich von der Stadt Rottenburg erworben, aus Mitteln der Denkmalpflege restauriert und als bewegliches Kulturdenkmal in das Baden-Württembergische Denkmalbuch eingetragen wurde. Seither wird sie immer wieder in der ehemaligen Synagoge Baisingen ausgestellt.
Und nun ist die „Baisinger Laubhütte“ auf große Reise gegangen und ist heute Vormittag als Leihgabe der Stadt Rottenburg am Neckar bei uns eingetroffen und wieder aufgebaut worden. In unserer Wechselausstellung „Alles hat seine Zeit. Rituale gegen das Vergessen“, die am 26. Februar 2013 um 19:00 Uhr eröffnet wird, wird sie mit einer Reihe weiterer Exponate die „Erinnerung an die Wanderung“ thematisieren.
Fotos: Clemens Wipplinger
Lieber Bernhard Purin,
ein großes Dankeschön für diesen herrlichen Beitrag zur #KBlogparade2013! Eure Teilnahme hat uns sehr gefreut, zumal sich jetzt fast alle Münchner Museumsblogs an der Blogparade beteiligt haben – ganz toll!
Vor allem aber begeistert die Geschichte rund um die Baisinger Laubhütte – eine sehr bewegende Geschichte. Wir sind schon gespannt auf die neue Ausstellung. Die Bilder des Aufbaus haben unsere Neugier geweckt.
Wir wünschen Euch viele Besucher!
Herzliche Grüße aus dem Residenzmuseum