Als Kaleidoskop bezeichnet man ein optisches Gerät, in dessen Inneren durch die Anbringung verschiedener Spiegel und farbiger Gegenstände ein symmetrisches Muster zu sehen ist. Dreht man das Kaleidoskop, so ändert sich auch das Muster. In diesem Sinne wird der Begriff „Kaleidoskop“ oftmals als Metapher für vielfältige und abwechslungsreiche Dinge verwendet.
So auch im Falle des „Kleinen Jerusalemer Kaleidoskops“. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein in Jerusalem hergestelltes Kaleidoskop, sondern um ein Büchlein mit Zeichnungen Gabriella Rosenthals. Sie stellt darin die Vielfalt der Menschen in Jerusalem dar.
Anlass für die Herstellung des Heftes war der 50. Geburtstag ihres Vaters Erwin Rosenthal, dem sie diese Zeichnungen schenkte. Pali oder Bärlein, wie Gabriella Rosenthal ihren Vater liebevoll nannte, lernt in den Zeichnungen nicht nur die Menschen in Jerusalem kennen, sondern auch die Gemeinsamkeiten mit und Unterschiede zu Menschen im deutschsprachigen Kulturraum.
Sehr eindrücklich geschieht dies in den Darstellungen eines Wiener und eines Jerusalemer Kaffeehauses. Hier werden kulturelle Unterschiede an der Kleidung und dem servierten Essen ersichtlich – einen Fez sieht man in einem Wiener Kaffeehaus vermutlich seltener, dagegen sucht man nach einer Sachertorte in den meisten orientalischen Kaffeehäusern vergebens. Gleichzeitig vermitteln die Bilder aber auch die Gemeinsamkeiten der beiden Kaffeehäuser: Beide sind Orte der Geselligkeit und des Austausches, Orte an denen man zusammenkommt und für einige Zeit den Alltag Alltag sein lässt und sich entspannt. Und der Menge an Qualm in den Zeichnungen nach zu urteilen, sind es auch beides Orte, an denen reichlich geraucht wird.
Ein Thema, mit dem sich Gabriella Rosenthal auch in den Briefen an ihre Familie häufig beschäftigt, wenn es um kulturelle Fragen geht, sind die Geschlechterrollen. Hier äußert sie sich oft kritisch über die Position der Frauen. Auch im Jerusalemer Kaleidoskop nimmt sie diese Thematik in der folgenden Zeichnung auf, indem sie die Kleidung in den Fokus nimmt und die Frage provokant in den Raum wirft, wer hier wen zu welchem Zwecke die Auswahl der Kleidung überlassen hat.
Das „Kleine Jerusalemer Kaleidoskop“ kann somit als Versinnbildlichung von Gabriella Rosenthals Äußerung gelten, es gäbe nur wenige Unterschiede zwischen der arabischen und der bayerischen Bevölkerung. Auch in den übrigen Seiten des Kaleidoskops wird diese Einstellung immer wieder ersichtlich, vor allem aber zeigt es die bunte Vielfalt Jerusalems. Das „Kleine Jerusalemer Kaleidoskop“ ist derzeit in der Ausstellung „Von der Isar nach Jerusalem – Gabriella Rosenthal (1913-1975) – Zeichnungen“ zu sehen. Die meisten Zeichnungen können zudem als Reproduktionen an einer Ausstellungswand in Ruhe studiert werden. Vielleicht entdecken Sie bei einem Besuch noch weitere Gemeinsamkeiten und Unterschiede?