Jüdisches auf dem Oktoberfest

In gut drei Wochen ist es wieder soweit: „O'zapft wird“, Oberbürgermeister Ude wird das wie üblich mit zwei oder drei Schlägen auf den Zapfhahn bewerkstelligen und am nächsten Tag in einer Kutsche sitzend den Festumzug anführen. Der ist in diesem Jahr was ganz Besonderes, weil das Oktoberfest seinen 200. Geburtstag feiert.

Vor genau 100 Jahren gab es auch einen Jubiläums-Festumzug und der wurde nicht etwa von gestandenen Oberbayern, sondern von zwei Brüdern aus einem westfälischen Landjudendorf geprägt.

Ende des 19. Jahrhunderts übersiedelten die Brüder Moritz und Julius Wallach – beide leidenschaftliche Alpinisten – nach München, um den Bergen näher zu sein. Mit ihrem im Jahr 1900 gegründeten „Volkskunsthaus“ wurden sie zu den prägenden Mitbegründern einer Volkskunst-Mode in Bayern. Ihre Verkaufsräume und das angeschlossene Volkskunstmuseum machten „den Wallach“ zu einem Synonym für bayerischen Wohn- und Kleidungsstil.

Moritz und Julius Wallach machten sich mit ihrem „Haus für Volkskunst und Tracht“ weit über die Stadtgrenze Münchens hinaus einen Namen. Die westfälischen Kaufleute trugen eine umfassende Sammlung europäischer Volkskunst zusammen und präsentierten sie in einem „Volkskunsthaus“, das in den 1920ern zu Münchens Sehenswürdigkeiten gehörte. Vor allem mit Stoffdrucken eigener Fabrikation entwickelten sie einen unverwechselbaren Stil. Ihre Dirndl wurden im Zuge der Begeisterung für die Operette „Im Weißen Rössl“ ab 1930 weltbekannt, die Familienangehörigen waren jedoch gezwungen NS-Deutschland zu verlassen.

Einen ihrer größten Werbeerfolge konnten sie auf der „Jubiläums-Wies’n“ 1910 feiern: Kostenlos stellten sie sämtliche Kostüme für die Fußgruppen und Festwagen des gesamten Landestrachtenzugs zur Verfügung. Zwei der großen Wies’n-Brauereien – Pschorr und Bürgerbräu – ließen auch ihr Personal von Wallach in „naiv-bürgerliche“ Garderoben einkleiden.

2007 hat das jüdische Museum München in einer Ausstellung an die Wallachs erinnert. Nachzulesen ist ihre Geschichte in einem dazu erschienen Ausstellungskatalog – einer idealen Lektüre zur intellektuellen Vor- oder Nachbereitung des diesjährigen Wies’n-Besuchs.

Jüdische Besucher wird man in diesem Jahr am Eröffnungstag übrigens wenige auf dem Oktoberfest finden: „O’zapft“ wird in diesem Jahr an Jom Kippur (Versöhnungstag), dem wichtigsten Feier- und Bußtag im jüdischen Jahr.

Bilde Von Wallach eingekleidete Trachtengruppe beim Festumzug des Jubiläums-Oktoberfest 1910 (Quelle: Ausstellungskatalog)