Nicht öffentlich (3) – Eine Recherchereise nach Waldram

Setzt man sich am Marienplatz in die S-Bahn, braucht man eine gute Stunde,  um den Wolfratshausener Ortsteil Waldram zu erreichen. Momentan sogar eine halbe Stunde länger. Schienenersatzverkehr. Waldram - dieser kleine Ort, auf der einen Seite durch die Bundesstraße, auf der anderen Seite durch die Isar begrenzt -  hat eine bewegte Geschichte.

Föhrenwald, wie Waldram früher hieß, wurde 1939 als nationalsozialistische Mustersiedlung errichtet. In den dortigen Unterkünften wurden die Arbeiter der nahe gelegenen Munitionsfabrik, die als „Schokoladenfabrik“ getarnt war, untergebracht.

Nach 1945 wurde Föhrenwald dann in ein Lager für Displaced Persons umgewandelt, ab September 1945 lebten nur noch jüdische DP’s in der Siedlung. In Föhrenwald wurde eine eigene Lagerzeitung auf jiddisch gedruckt – „Bamidbar“ – es gab sechs Synagogen, ein Mikwe und auch eine koschere Küche. Alle Einrichtungen wurden von den Bewohnern selbst verwaltet, eine eigene DP-Polizei sorgte für Ordnung im Lager. 1957 war alles wieder vorbei, viele jüdische Familien waren bereits ausgewandert und die letzten DP’s mussten das Lager räumen.

Die Geschichte des Camps wurde bereits in einer Dia-Schau künstlerisch von Michaela Melián behandelt. Mittlerweile gibt es auch einen Historischen Verein, der sich an die Aufarbeitung der Geschichte des eigenen Ortsteils gemacht hat. Dieser realisierte das Anbringen einer Tafel am Ortseingang mit einem stilisierten Plan, der durch Straßennamen auf die drei verschiedenen Perioden Waldrams hinweist. Was heute der Seminarplatz ist, hieß in der Nachkriegszeit Roosevelt Square und davor Adolf-Hitler-Platz. Ebenfalls geplant ist ein Geschichtspfad durch Waldram.

Die geplante Ausstellung im Jüdischen Museum mit dem Arbeitstitel „Displaced Persons in München und Umgebung“ wird auch Föhrenwald zum Gegenstand haben. Der Stadtforscher Rolf Lindner schrieb einmal, wer historisch forscht, sollte sich dem Thema in totaler Weise nähern, also nicht nur darüber in Büchern lesen, sondern beispielsweise auch die Musik aus dieser Zeit hören.

Diese Art der Annäherung an ein Thema umschreibt sehr gut manch einen Museumsarbeitstag. So stand letzte Woche eine Ortsbegehung und ein Treffen mit dem Historischen Verein auf dem Terminkalender. Das Treffen fand in dem Haus statt, in dem Lea Fleischmann einst lebte. Natürlich wohnt mittlerweile eine andere Familie in dem Haus und nichts erinnert mehr an Lea Fleischmann. Doch es ist mehr das Gesamtensemble an Erinnerungszeichen, durch die man an diesem Ort die Vergangenheit zu spüren glaubt. Die alten Siedlungshäuser aus den 50er Jahren stehen heute noch. An einem Gebäude, der ehemaligen Hauptsynagoge, sieht man noch verblasst die Abbildung einer Menora an der Hauswand.

Somit geht mit der umständlichen Rückfahrt mit Bus und Bahn ein weiterer Museumsarbeitstag zu Ende. Die Fahrtzeit ist übrigens immer noch sehr historisch – in Zeiten des DP-Lagers  fuhr man eineinviertel Stunden von Wolfratshausen nach München.