Zahlreiche Interessierte waren der Einladung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit e.V. in Kooperation mit der Liberalen jüdischen Gemeinde München Beth Shalom, der Europäischen Janusz Korczak Akademie e.V. und dem Jüdischen Museum München vergangen Donnerstag gefolgt. Bis auf den letzten Sitz- und Stehplatz war das Foyer des Museums mit Interessierten besetzt, die dem Zeitzeugengespräch mit Eva Umlauf folgten, das von Stefanie Oswalt moderiert wurde.
Schon unmittelbar nach ihrer Geburt war Eva Umlaufs Leben dem Terror und den Verbrechen der Nationalsozialisten ausgesetzt: 1942 wurde sie in einem »Arbeitslager für Juden« in Nováky geboren. Sie war das erste von fünf Kindern, das in diesem Lager zur Welt kam. Für die anderen Lagerinsassen war sie ein Grund zur Hoffnung, ein Wunder.
Am 3. November 1944 wurden sie und ihre Mutter in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Purem Glück ist es zu verdanken, dass sie nicht direkt getrennt wurden und Eva Umlauf auch dies überlebte. Als sie bei der Befreiung aus Auschwitz von einem Arzt untersucht wurde, riet dieser ihrer Mutter: „Vergessen Sie das Kind, es wird nicht leben“. Geplagt von zahlreichen Krankheiten, schien das Mädchen tatsächlich keine Überlebenschance zu haben.
Als Eva Umlauf zehn Jahre alt war, fuhr ihre Mutter mit ihr nach Prag in eine Kinderklinik. Sie besuchten dort die Sprechstunde von Prof. Dr. Eppstein. Ihre Mutter fragte ihn, ob er sich an sie erinnern würde – sie würden sich aus Auschwitz kennen. Es handelte sich um eben jenen Arzt, der ihr geraten hatte, das Kind zu „vergessen“. Und dieses Kind stand nun vor ihm. Ein Wunder? Für die Menschen in Eva Umlaufs Umfeld zumindest schien es so – für sie eine positive Erfahrung, verbunden mit vielen geschenkten Bonbons, wie sie lächelnd erzählt.
Aber ihre Kindheit war auch von Krankheiten geprägt. Darin sieht sie selbst rückblickend den Grund für die Entscheidung Medizin zu studieren und sich dabei auf die Pädiatrie und Psychologie zu spezialisieren. Gegen Ende des Studiums lernte sie im Urlaub in Jugoslawien ihre späteren Mann aus München kennen und lieben. Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten emigrierte sie 1967 aus der Slowakei nach Deutschland. Offenen Antisemitismus habe sie hier nicht erfahren. Dennoch wurde sie als Ausländerin, und nach dem Tod ihres Mannes als alleinerziehende und arbeitende Mutter vielfach ausgegrenzt.
Ein „jüdisches Leben“, so erzählt sie, konnte sie jedoch erst in Deutschland frei entfalten, denn in der kommunistischen Slowakei hatte Religion keinen Platz. In München kam ihr Freundes- und Bekanntenkreis hingegen nun maßgeblich aus der jüdischen Gemeinde.
2016 erschien das Buch „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“, in dem Eva Umlauf ihre Lebensgeschichte erzählt. Hierzu hat sie sich gemeinsam mit Stefanie Oswalt auf Recherchereise begeben.
Um den Titel des Buches mussten sie beide zunächst kämpfen. Die Nummer, die den Insassen in Auschwitz auf den Unterarm tätowiert wurde, ist für Eva Umlauf von besonderer Bedeutung. Von den Nationalsozialisten zur vollständigen Entmenschlichung genutzt, sieht sie darin heute auch ein Zeichen der Zusammengehörigkeit. Die Ziffern der Nummern, die ihr und ihrer Mutter zugewiesen wurden, folgen direkt aufeinander und versinnbildlichen für Eva Umlauf ihre Zugehörigkeit zu ihrer Mutter. Und eine weitere Besonderheit in ihrem Verhältnis zu dieser Nummer hebt sie hervor: Im Gegensatz zu anderen Auschwitz-Überlebenden kennt sie kein Leben ohne diese Nummer. Seit frühester Kindheit war sie ein Teil von ihr.
Im Anschluss an das Zeitzeugengespräch, während dem Eva Umlauf auch einige Passagen aus ihrem Buch vorlas, ergriff das Publikum die Gelegenheit selbst noch einige Fragen zu stellen. Von biographischen bis hoch philosophischen Interessen kam alles zur Sprache. Worin Frau Dr. Eva Umlauf als Psychologin den Ursprung des Rassismus sieht? Eine einzige Ursache könne sie nicht nennen, jedoch sei ein erheblicher Grund die Unbelehrbarkeit der Menschen. Und so schließt dieser Rückblick in die Vergangenheit mit einer Aufforderung für die Gegenwart: Sich aktiv gegen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu stellen, um möglichst doch aus der Geschichte zu lernen.
Das ganze Gespräch zum Nachhören:
„Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“ ist 2016 im Verlag Hoffmann und Campe erschienen.