Mordechai Wolf Bernstein kam am 14. Juni 1905 in Bytén im heutigen Belarus zur Welt. Er besuchte jüdische Schulen in Baranowicze, Slonim und Bialystok. Früh begann Bernstein sich für Politik zu interessieren und schloss sich dem Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbund an (kurz „Bund“). 1930 heiratete Bernstein die ebenfalls aus Bytén stammende Zelda Goldin. Gemeinsam gingen die beiden nach Warschau, wo 1931 ihre Tochter Masha zur Welt kam. In Warschau begann Mordechai Bernstein für das Jüdische Wissenschaftliche Institut (YIVO) zu arbeiten.
Als 1939 die Deutschen in Polen einmarschierten, flohen Bernstein und seine Familie nach Wilna. Auch hier arbeitete Bernstein als Journalist und Historiker für das YIVO, das hier seinen Hauptsitz hatte. Wegen seines politischen Engagements für den Bund wurde er Ende 1940 jedoch von der sowjetischen Geheimpolizei inhaftiert. Die Jahre bis 1946 verbrachte Bernstein in verschiedenen Gefängnisanstalten. Seine Frau und seine Tochter mussten ohne ihn in die USA fliehen.
Im Sommer 1946 gelang es Bernstein nach Polen zu reisen, wo er sich in Lodz niederließ. Erneut engagierte er sich im Bund und nahm nun auch seine journalistische und historische Arbeit wieder auf. Als sich langsam die Auflösung des Bund abzeichnete, ging Bernstein nach Deutschland, wo er 1948 in einem DP-Lager ankam. In Deutschland arbeitete er als Korrespondent des YIVO für Westdeutschland. Er sammelte verschiedenste Materialien z.B. Pamphlete aus DP-Camps, Publikationen zu deutschen Judaica, aber auch Antisemitika. Darüber hinaus erstellte er Inventare der Bestände der einst so zahlreichen jüdischen Gemeinden in deutschen Archiven.
Zudem war Bernstein Berater jüdischer Nachfolgeorganisationen. Diese nahmen Bücher, Dokumente, Ritualgegenstände und andere Objekte, deren Eigentümer ermordet worden waren oder nicht ausgemacht werden konnten, in Obhut und verteilten es an jüdische Gemeinden weltweit. Bernstein durchforstete Archive und Bibliotheken nach geraubtem Kulturgut und erstellte Berichte über seine Funde für diese Organisationen. Während seiner Zeit in Deutschland erforschte Mordechai Bernstein auf diese Weise die Geschichte hunderter jüdischer Gemeinden, die während der NS-Zeit oder früher zerstört worden waren.
Im Januar 1952 emigrierte Bernstein nach Buenos Aires. Dort publizierte er unter anderem drei Bände zur jüdisch-deutschen Geschichte: 1955 entstand „In labirintn fun tkufes“ (In den Labyrinthen der Epochen), dem 1956 „Nisht derbrente shaytn“ (Nicht verbrannte Scheite) folgte. 1960 wurde der letzte Band „Dos iz geven nusekh ashkenaz“ (Das war die Tradition von Aschkenas) herausgegeben. Bernstein verarbeitete in diesen drei Büchern die Materialien, die er aus den noch vorhandenen Spuren der einst so zahlreichen jüdischen Gemeinden Deutschlands gesammelt oder erfasst hatte: Manuskripte, Bücher, aber auch Artefakte aus deutschen Archiven, Museen und Büchereien, die die Schoa überdauert hatten. Daneben war Bernstein auch weiterhin politisch aktiv, verfasste zahlreiche Artikel für jiddische Zeitungen und Journale in Nord- und Südamerika. Er war Bibliothekar des YIVO in Buenos Aires und beteiligte sich dort am jüdisch-kulturellem Leben.
1962 ließ sich Bernstein endgültig bei seiner Familie in New York nieder. Er überließ dem YIVO, dem er stets verbunden geblieben war, eine große Sammlung seltener Bücher und Pamphlete aus Argentinien sowie Fotos aus deutschen DP-Camps und Antisemitika. Am 21. April 1966 starb Mordechai W. Bernstein in Manhattan.
In einem Interview mit dem Jüdischen Museum München erinnert sich Karen Leon, die Enkelin Mordechai W. Bernsteins an ihren Großvater: