Wenn Sharone Lifschitz im echten Leben mit fremden Menschen ins Gespräch kommen will, hat sie eine süße Geheimwaffe entwickelt. „Ich biete Schokolade an“, verrät sie den Zuhörern beim Tweetup. Aber wie kommt man nun in den sozialen Medien am besten in Kontakt?
„What is a twitter-chocolate?“, fragte die in London lebende Künstlerin nach dem rund 60-minütigen Twitter-Rundgang durch ihre Werkschau im Jüdischen Museum München.
Die Tweets folgten in Sekunden:
Online-choc is…sharing pictures #smileyou
Online-choclate is… Sharing emotions with pictures like on instagram
#smileyou
Der Schnelle des Internets steht Sharone Lifschitz skeptisch gegenüber. Für die Zeitungsannoncen, die sie für ihr Projekt „Speaking Germany“ in überregionalen Zeitungen schaltete, hatte sie sich viel Zeit genommen: „Ich konnte mir für 80 Zeichen sechs Wochen den Kopf zerbrechen“, sagt sie lächelnd.
Entsprechend wenig konnte Lifschitz bisher mit Twitter anfangen. „Ich habe mich irgendwann mal mit einem Pseudonym angemeldet und habe bis heute einen Follower“, lacht sie. Auch Lifschitz sieht, dass die Möglichkeiten des Internets wie geschaffen scheinen, für Dialoge unter einander Fremden, die ein zentraler Bestandteil ihrer Kunst sind. Neugierig erklärte sie sich bereit, für den Tweetup im Jüdischen Museum.
Damit war sie einer der wenigen Anfänger unter den mehr als 20 Teilnehmern. Tweetups haben sich insbesondere in den Kreisen der Kunst- und Kulturfreunde längst etabliert. Alle großen und viele kleine Münchner Institutionen pflegen heute ihren Twitter-Kanal – mal mehr, mal weniger intensiv.
Unter den Besuchern des Tweetups waren neben den Twitteratis aus der Kunst-, Studenten- und Bloggerszene (mucbook.de, das-muenchner-kindl.de) aber auch Erst-Zwitscherer älteren Semesters, die vor Ort ihre ersten Flugversuche mit dem blauen Vogel unternahmen.
Eine halbe Millionen Ansichten
Und sie waren alle fleißig! Mehr als 671 Tweets wurden im Umfeld des Tweetups mit dem Hashtag #smileyou in den digitalen Rezipienten-Orbit verschickt. In 507.874 Timelines tauchten Kurznachrichten mit dem Hashtag #smileyou in Bild und Text auf. Die Reichweite macht erneut deutlich, welche Chancen Microblogging-Events für Kulturhäuser bieten, ihre Themen zu den Menschen zu bringen – sofern die Inhalte spannende genug sind, um geteilt zu werden.
Eine besondere Gelegenheit, bot sich durch die erste Twitter #Museumweek. Erstmals in der Geschichte des Mikroblogging-Dienstes wurde just in der Woche des Münchner Tweetups die internationale Woche der Museen ausgerufen. Der Hashtag #museumweek zeigt sich sehr hilfreich, dass sich viele Kulturhäuser finden konnten. So stieg die Zahl der Follower bei dem Jüdischen Museum von 1623 um genau 50 neue Follower auf 1673.
Monitoring-Tools erlauben dem Museum nach dem Tweetup auch einige Rückschlüsse, die nur am Rande relevant sind: Zum Beispiel zeigt die Grafik von Tweetarchivist, dass das Tweetup bei iPhone-Besitzern mehr Interesse geweckt hat als bei Nutzern von Android-Handys. Weit abgeschlagen ist Blackberry.
Und wir können auch sehen, wer am fleißigsten war: Die schnellsten Finger hatten @LisellaLi (49 Tweets) und @WWecker (42 Tweets), gefolgt von @marciaViola (30 Tweets) und @Uligasser (29 Tweets).
MiuSuCo: @hkohle sehr gut, war auch schon da – Dank wechselnder Ausstellungen lohnt
sich aber ein öfteren Besuch! #smileyou
Kein Selbstläufer.
Die hohe Zahl der aktiven Teilnehmer vor Ort und die große Reichweite im Netz ist allerdings längst kein Selbstläufer mehr. Die Vorarbeit mit Blogeinträgen im Blog des Jüdischen Museums auf deutsch und englisch, die aktive Ansprache der Kulturblogger und Analyse der zum Thema passenden Alpha-Twitterer ist genauso wichtig, wie die gute alte Pressearbeit, das Interview im Radiosender und die Verbreitung auf Museumsflyern.
Im aktuellen Fall wurde das Tweetup zusätzlich durch eine Guerilla-Marketing-Aktion befeuert. Studenten verteilten kleine Zettelchen mit dem Hashtag #smileyou an U-Bahnstationen und in stehenden Zügen am Münchner Hauptbahnhof – in Anlehnung an das Kunstprojekt „Sleeping Germany“ für das Sharone Lifschitz 13 Tage und Nächte durch Deutschland unterwegs war.
Und als die Twitter-Texter nach getaner Arbeit bei einem Glas Wein die Finger entspannten, freuten sie sich natürlich besonders über Zeilen wie diese:
SabineScherz: Bravo an die fleißigen Twitterer. Die Ausstellung muss ich unbedingt
sehen! #smileyou
3/26/2014 7:14:08 PM
Diplom-Journalist Marco Eisenack unterstützt mit seinem Team der Agentur textbau Kulturhäuser mit Konzepten und Inhalten für kreative digitale Kommunikation. Zu seinen Kunden gehören unter anderem das Jüdische Museum und das Museum Villa Stuck.