Seit Juni 2024 gibt es am Jüdischen Museum München eine Projektstelle für Inklusion. Was steckt dahinter?
Früher dachte man, ein Aufzug reicht, damit ein Museum „barrierefrei“ ist. Aber Barrieren müssen nicht unbedingt architektonischer Art sein, sondern können auch auf inhaltlicher oder gestalterischer Ebene existieren. Ein Ausstellungstext mit vielen Fremdwörtern, ein Video ohne Untertitel oder schlechte Beleuchtung in einem Raum schließen viele Museumsbesucher*innen schon aus. Mittlerweile schauen wir da genauer hin. Denn Museen sollen Orte für jeden Menschen sein. Inklusive Arbeit im Museum betrifft daher alle Tätigkeitsbereiche: Vermittlung, Veranstaltungsplanung, kuratorische Ausstellungsplanung bis hin zu Social Media.
Auch auf politischer Ebene gibt es wichtige Entwicklungen. Im Jahr 2009 trat die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft, wodurch Menschen mit Behinderung gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilhaben sollen. (Mehr dazu) Die Konvention schreibt vor, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden müssen, damit Menschen mit Behinderung „Zugang zu kulturellem Material in zugänglichen Formaten haben“ sowie „Zugang zu (…) Museen“. Leider ist das in der Praxis noch viel zu selten der Fall.
Das Jüdische Museum München hat bereits erste Schritte hin zu mehr Inklusion gemacht. Welche sind das?
Die Studienraumausstellung „Tante Olga. Eine Münchner Familiengeschichte“ war die erste am Haus mit Texten in Leichter Sprache. In diesen Texten wird eine vereinfachte Form der deutschen Sprache verwendet, um den Zugang zu Informationen zu erleichtern. Leichte Sprache hilft sowohl Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Demenz, als auch Personen mit abweichenden Bildungschancen bzw. denen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Leichte Sprache ist aber letztlich ein Gewinn für alle, da besonders Fachtexte oft ausführlich und komplex formuliert sind.
In der aktuellen Ausstellung „Bildgeschichten. Münchner Jüdinnen und Juden im Porträt“ gibt es ebenfalls Wandtexte und ein Begleitheft in Leichter Sprache. Zudem werden Rundgänge in Leichter Sprache in Kooperation mit Kunst·begegnungen sowie mit Deutscher Gebärdensprache (DGS) angeboten, bei denen ein*e Übersetzer*in für gehörlose Besucher*innen dolmetscht. Auch bei unseren Ausstellungseröffnungen sind DGS-Dolmetscher*innen anwesend.
Natürlich spielt die Barrierefreiheit auch auf den digitalen Kanälen des Museums eine Rolle. Postings auf Facebook und Instagram werden so geschrieben, dass Menschen mit Sehbeeinträchtigung sie sich mit sogenannten Screenreadern vorlesen lassen können. Dazu werden bei allen geposteten Fotos Bildbeschreibungen hinterlegt.
Was sind die Ziele der Projektstelle?
Dank der Förderung durch die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern konnte die zweijährige Projektstelle „Inklusion im Jüdischen Museum München“ realisiert werden. Langfristiges Ziel ist es, Inklusion ganz selbstverständlich in den Arbeitsbereichen des Museums mitzudenken. Dazu brauchen wir erst einmal eine Bestandaufnahme über den Ist-Zustand. Zurzeit treffe ich mich mit unterschiedlichen Referenzgruppen, also Menschen mit Behinderungen, die uns notwendige Änderungen aufzeigen, um das Museum zugänglicher und attraktiver zu machen. Grade der Satz „Nicht über uns ohne uns“ ist dabei ein wichtiger roter Faden.
Auch ist geplant, das Projekt Museum Signers im JMM zu implementieren. In Kooperation mit dem Münchner Gehörlosenverband werden Museumsguides, die selbst gehörlos sind, in die Thematik des Jüdischen Museums München eingearbeitet und sollen Rundgänge in DGS für gehörlose Besucher*innen anbieten. Außerdem soll die Website des Museums barrierefreier werden. Dazu gehören Videos in Gebärdensprache oder Texte in Leichter Sprache.
Mit welchen Gruppen arbeitest du?
Ich habe bereits mit Hilfe des Behindertenbeirats München, der Offenen Behindertenarbeit (OBA), dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e. V. (BBSB) sowie dem Gehörlosenverband München und Umland e. V. (GMU) Testrundgänge mit Referenzgruppen durchgeführt. Menschen im Rollstuhl sowie mit Gehhilfen, Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit psychischen Erkrankungen, mit Sehbeeinträchtigungen sowie blinde, gehörlose und schwerhörige Menschen können so ihre Eindrücke, Wünsche und Anforderungen mitteilen.
Die Museen in München sind unterschiedlich weit, wenn es um das Thema Inklusion geht. Wie wichtig ist der Austausch zwischen den Häusern?
Die Vernetzung mit Kolleg*innen aus anderen Museen ist ein wichtiges Element des Projekts. Ich bin dankbar für die Unterstützung und den Austausch mit der Stabsstelle Diversität und Inklusion der LHM sowie dem Facharbeitskreis Touristik des Behindertenbeirats. Gemeinsam können wir voneinander lernen, Kontakte und Informationen austauschen und zusammen Schritt für Schritt mehr Inklusion schaffen.
Welche Momente waren bis jetzt deine persönlichen Highlights?
Das Feedback der Communities hat mir viel bedeutet. Das Interesse an einer Zusammenarbeit ist sehr groß. Besonders beeindruckend war für mich die Demonstration „Auch wir sind München!“ des Behindertenbeirats München im vergangenen Herbst. Ich war dabei und habe mich gefreut, wie viele Menschen kamen. Wir haben mit Trillerpfeifen, Trommlern und großen Plakaten auf uns aufmerksam gemacht. Der Zusammenhalt in der Gruppe und Wille nach Veränderung war sehr zu spüren. Ein wichtiger Tag, um auf die Belange der Communities aufmerksam zu machen!
Mehr zum Thema Inklusion an den Münchner Museen und Kulturhäusern können Sie auf der Webseite „Kultur barrierefrei München“ und auf „München Tourismus barrierefrei“ nachlesen.