Kurt Landauer schrieb Fußballgeschichte: 1932 führe er den FC Bayern zu seiner ersten Deutschen Meisterschaft. Nur ein Jahr später musste er aufgrund seiner jüdischen Herkunft als Präsident zurücktreten; 1939 floh Landauer nach Genf. In den acht Jahren seines Exils schrieb er Briefe an seine Geliebte Maria Baumann. Maria, die 1927 als Hilfsköchin in den Haushalt der Landauers kam und sich in den 16 Jahre älteren Kurt verliebte, hielt trotz der drohenden Denunziation nach den sogenannten Nürnberger Rassegesetzen als Nicht-Jüdin an der Beziehung fest. Der Briefwechsel der beiden dokumentiert eine besondere Liebesgeschichte. „Es ist immer ein eigen Ding mit unseren Briefen gewesen,“ schreibt Landauer, „und es wird wohl nicht zu oft vorgekommen sein oder noch sich ereignen, dass zwei Liebende ihre Korrespondenz in einer solchen Form abwickeln müssen.“ (Fleckenstein/Salamander, 2021, S. 102)
Die nun veröffentlichten Briefe geben nicht nur Einblick in Kurt Landauers Privatleben, sie sind darüber hinaus ein einzigartiges Zeitdokument. Landauers Lebensbericht greift zurück in die Zeit der Weimarer Republik und schildert den Aufstieg des Nationalsozialismus in München. Seine Briefe vermitteln auf eindrucksvolle Weise den Alltag im Exil und die Hürden einer Rückkehr nach München. So wie Landauer entschieden sich nur wenige, in ihre Heimat zurückzukehren. Seine Aufzeichnungen liefern daher entscheidende Impulse für die Remigrationsforschung. Dass ein Zeugnis wie dieses so lange Zeit unentdeckt blieb, hielt Jutta Fleckenstein zunächst nicht für möglich: „Man erkannte eben sehr lange nicht, dass diese Erinnerungen wichtig für das kollektive Gedächtnis einer Gesellschaft und der Stadt München sind.“ „Nach der Lektüre dieses Konvolutes war es ganz klar, dass wir da etwas ganz Besonderes in den Händen hatten,“ bestätigt Dr. Rachel Salamander.
Ein dreiköpfiges Team des Jüdischen Museums München machte sich an die Erschließung des Bestandes. Archivrecherchen zu rund einhundert in den Briefen genannten Personen und der Austausch mit Nachkommen eröffneten den Forscherinnen einen facettenreichen Blick auf Landauer und sein Umfeld. Es entstand eine umfangreiche Kommentierung, die den Briefwechsel in der jüdischen Geschichte und Kultur Münchens verortet. Weitere historische Dokumente und Fotos ergänzen die Briefe in der nun erschienenen Edition. Wie so oft in der Forschung stieß dann ein Projekt das nächste an und aus den Recherchen zu der mit Landauer befreundeten Familie Klauber/Klopfer und deren Familienunternehmen entstand die Studienausstellung „Spitzenhaus Rosa Klauber“.
Wir sind gespannt darauf, welche weiteren Fragen der nun erstmals veröffentliche Briefwechsel aufwerfen wird und hoffen, dass Sie dieses Zeugnis einer ganz besonderen Liebesgeschichte genau so in seinen Bann schlägt wie uns.
Weitere Infos zum Buch finden Sie auf der Seite der Literaturhandlung.
Lesen Sie auch unsere Blogserie zum Leben Kurt Landauers.