„Es war Mitte Dezember 1950, genau zu Erev Chanukka…“

Im Winter 1950 öffneten Mitarbeiter_innen des Rheinischen Museums mehrere Kisten mit Judaica. Die Kisten, die während des Kriegs ausgelagert worden waren, waren gerade erst wiederentdeckt worden.Sie enthielten zwanzig Chanukka-Leuchter und andere verlorengeglaubte Judaica. Mordechai W. Bernstein war dabei und berichtet von einem besonderen Chanukka-Abend…
Chanukka-Leuchter aus der Sammlung des Rheinischen Museums, heute in der Sammlung des Kölnischen Stadtmuseums (Inv. Nr. RM 1927/2688); Foto: Eva Jünger © JMM

Schon mehrfach hatte Mordechai W. Bernstein im Rahmen seiner Tätigkeiten für jüdische Treuhänderorganisationen am Rheinischen Museum bezüglich des Verbleibs der Judaica-Sammlung angefragt. Insbesondere eine Sammlung von Chanukka-Leuchtern, „…die einen Ruf in der jüdischen Welt, auch außerhalb Deutschlands genoss“, interessierte ihn.

Chanukka-Leuchter

Das Lichterfest Chanukka erinnert an die Wiedereinweihung (hebr. Chanukka) des Jerusalemer Tempels und das damit zusammenhängende „Ölwunder“. Zur Wiedereinweihung sollte die Menora (Tempelleuchter) angezündet werden, die als Ewiges Licht dauerhaft im Tempel brennen soll. Doch das vorhandene Öl hätte eigentlich nur für einen einzigen Tag reichen dürfen. Dennoch brannte die Menora acht Tage lang. In dieser Zeit konnte neues Öl hergestellt werden. An dieses „Ölwunder“ erinnern die acht Lichter des Chanukka-Leuchters. An jedem Abend des achttägigen Chanukka-Fests wird ein Licht mehr angezündet. Zum Anzünden wird ein zusätzliches Licht, der Schamasch (Diener) verwendet. Er kann in den Leuchter integriert sein, sodass manche Chanukka-Leuchter neun Lichter haben. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Leuchter sind vielfältig, so gibt es beispielsweise bankförmige Leuchter und Leuchter mit Armen. Auch die Verzierungen bieten viel Spielraum.

Köln, 1950

Bernsteins Suche nach den Leuchtern des Rheinischen Museums blieb zunächst erfolglos: Er erhielt sogar die Information, „dass alle jüdischen Gegenstände an die Altmetallspende (eine Art Nazi-Aktion während des Krieges, um notwendiges Metall für Munition zu sammeln) hatten abgegeben werden müssen und dass alle Kultgeräte eingeschmolzen worden seien.“ Mitte Dezember 1950, genau zu Erev Chanukka, wird Bernstein dann nach Köln gerufen und ist dabei, als mehrere zuvor eingelagerte Kisten mit Judaica geöffnet werden. In ihnen auch die verlorengeglaubten Chanukka-Leuchter: „Eingepackt in Sägespäne war jedes Objekt noch eigens in Watteabfälle eingewickelt und wurde mit großer Vorsicht herausgenommen. Diese Relikte aus Jahrhunderten hatten mehr Glück als die Urenkel ihrer früheren Eigentümer.“

Viele der Leuchter hatten die Kriegszeit offenbar nicht unbeschadet überstanden: „Grün angelaufenes Messing, verstaubtes Zinn, verrostetes Blech, verbogene Seiten, verkrümmte Teile, ein zerquetschter Schamasch – aber wie wunderbar, wie prächtig sahen sie aus…“

Einer der Leuchter ist derzeit in unserer Wechselausstellung „Im Labyrinth der Zeiten. Mit Mordechai W. Bernstein durch 1700 Jahre deutsch-jüdische Geschichte“ zu sehen. Der bankförmige Leuchter aus Messing stammt aus dem 19. Jahrhundert. Er verfügt über acht Schälchen, die mit Öl und einem Docht versehen und dann angezündet werden können. Oberhalb dieser Gefäße befindet sich ein weiteres Schälchen, der Schamasch. Dazwischen sieht man eine hebräische Inschrift, die lautet „Denn eine Leuchte ist das Gebot, und die Weisung ein Licht“ (Sprüche 6,23). Ein weiteres Detail fällt auf: Am oberen Ende der Rückwand befindet sich eine Öse – offenbar war der Leuchter dafür gedacht, an die Wand gehängt zu werden.

Abbildung des Leuchters in Mordechai Bernsteins Buch „Nisht derbrente shaytn“ (Buenos Aires, 1956)

Alle Zitate aus: Bernstein, Mordechai W.: Zwanzig Chanukka-Leuchter im Rheinischen Museum. In: Purin, Bernhard/Winkler, Ayleen (Hg.): Mit Mordechai W. Bernstein durch 1700 Jahre deutsch-jüdische Geschichte. Mit Übersetzungen aus dem Jiddischen von Lilian Harlander und Lara Theobalt, S. 222-231.