Überall in Deutschland wurde gestern und heute des Novemberpogroms gedacht. So auch in Würzburg, wo sich eine große Gruppe von Würzburgern in einem großen, parkähnlichen Innenhof in der Domerschulstraße hinter dem Diözesanarchiv versammelte. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Würzburg und Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, erinnerte dabei an das Pogrom von 1938, warnte aber auch vor gefährlichen Entwicklungen in der Gegenwart.
Auf dem Gelände, auf dem die Gedenkfeier stattfand, befand sich seit 1841 die Würzburger Hauptsynagoge, zu der später ein Gemeindehaus, eine kleine Werktagssynagoge und weitere Gemeindeeinrichtungen hinzukamen. In den Morgenstunden des 10. November 1938 stürmten hunderte Würzburger, darunter zahlreiche Angehörige der Universität, das Gelände und demolierten die Inneneinrichtungen der Liegenschaften der Israelitischen Kultusgemeinde. Wertvolle Tora-Rollen, Ritualgegenstände und Archivalien waren kurz davor von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) beschlagnahmt und an Archive und Museen in Würzburg übergeben worden.
Erst im vergangenen Jahr sind etwa 150 jüdische Ritualobjekte im Mainfränkischen Museum, dem heutigen Museum für Franken wiederentdeckt worden. Mit Hilfe des Jüdischen Museums München und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern konnten diese Objekte als jene identifiziert werden, die im November 1938 nicht nur aus der Würzburger Synagoge, sondern auch aus weiteren Synagogen der Region wie Heidingsfeld, Miltenberg oder Schweinfurt geraubt wurden. Die Medien haben im vergangenen Sommer bereits darüber berichtet.
Während in der Literatur zum Novemberpogrom davon ausgegangen wird, dass die in den demolierten und niedergebrannten Synagogen befindlichen Ritualobjekte während des Pogroms zerstört wurden, belegen die Vorgänge in Würzburg und anderen Städten der Region, dass Wertgegenstände aus Synagogen zuvor systematisch von den Gestapo beschlagnahmt und an öffentliche Sammlungen übergeben wurden.
In einem Forschungs- und Ausstellungsprojekt gemeinsam mit dem Museum für Franken und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern erforscht das Jüdische Museum München die Vorgänge im November 1938 und geht der Frage nach, warum die erhaltenen Objekte fast 80 Jahre lang weitgehend unerkannt und vergessen in den Museumsdepots erhalten geblieben sind. Die Ergebnisse dieser Recherchen werden im November 2018 zum 80. Jahrestag des Novemberpogroms in einer Ausstellung im Jüdischen Museum München, die im Sommer 2019 auch im Museum für Franken in Würzburg zu sehen sein wird, vorgestellt werden.