Judn ohne Wiesn: Robby und Vered

»Und dieses Schunkeln auf den Bänken oder Tischen, das kennt man ja auch von den Bars in Israel.«
Robby wurde 1961 in München geboren und ist da auch aufgewachsen. Vered ist 1964 in Tel Aviv geboren. Seit 1990 lebt sie in München. Foto: © Lydia Bergida.
Robby wurde 1961 in München geboren und ist da auch aufgewachsen. Vered ist 1964 in Tel Aviv geboren. Seit 1990 lebt sie in München. Foto: © Lydia Bergida.

Wenn ihn in Israel nicht jeder gleich verstehen soll, spricht der Robby bayerisch. Und deshalb wundert es auch nicht, dass beim bayerischen Sketch, den er auf einer Hochzeit in Israel in voller Tracht-Montur auf die Bretter gelegt hat, nicht alle mitgekommen sind. Ein paar schon, weil die nämlich auch aus Bayern waren. Einen Test würde man ja gerne mal machen mit dem Robby, der, wie er sagt, ein sicheres Gefühl dafür hat, ob sein Gegenüber in Tracht ein echter Bayer ist oder eben nur einer, der sich Wiesn-tauglich zurecht gemacht hat. Man würde gerne wissen, wie er selbst bei diesem Test abschneiden würde. Und wir haben da eine Vermutung: „Das ist 100-prozentig ein echter Bayer“, wird es da heißen. Und das stimmt. Fast. Der Robby ist nämlich ganz und gar ein jüdischer Bayer so wie die Vered eine ganz und gar echte Israelin ist und das auch immer bleiben will, Bayern hin oder her. Was einfach daran liegt, dass sie in Israel geboren ist und dieses Land auch sehr liebt. Aber München ist auch nicht schlecht und ausgelassen feiern auch nicht. Wenn man die Grenzen kennt. Die Vered sucht sich einfach aus den beiden Kulturen das Beste aus. Dirndl kann sie jedenfalls ganz wunderbar tragen und wir meinen fast, dass man sie darin auch glatt für eine Bayerin halten könnte.

Der Robby

Die Wiesn hat sich verändert. Das kann man ganz klar sagen. Ich bin ein Münchner Kindl, bin mit der Wiesn aufgewachsen und kann da mitreden. Ich war wahrscheinlich so um die drei Jahre alt gewesen, als ich das erste Mal mit meinen Eltern da hingegangen bin. Natürlich in Lederhose. Mit Tracht hatte das allerdings überhaupt nichts zu tun. Die Lederhose war einfach so etwas wie eine strapazierfähige Spielhose für jeden Tag. Und natürlich haben meine Eltern keine Tracht getragen. Die kamen ja aus Polen, was eine ganz andere Geschichte ist. Mit uns auf die Festwiese gegangen sind sie trotzdem. Da gab es keine Vorbehalte. Für sie war das ein Volksfest für Kinder mit Karussellfahren und Hendlessen. Man lebt jetzt in München, und dann nimmt man das halt mit. Fertig.

Als Teenager bin ich dann in ganz normalen Kleidern losgezogen. Das mit der „Trachtennummer“ kam ja erst viel später, das ist ja erst seit den – sagen wir mal – letzten 15 Jahren so. Davor war das wirklich ein No-Go. Da sind höchstens so die Hardcore-Bauern vom Land in ihrer Tracht gekommen. Und noch etwas hat sich geändert: Früher war’s eine Anbandel-Wiesn gewesen, heut ist‘s ein internationaler Meeting-Point. Die Tracht wurde gehypt und heut fällst du auf, wenn du ohne kommst. Jeder spielt das Spiel mit. Die Wiesn ist zu einem Kostümfest geworden. Der Eine kommt in der teuren Tracht aus edlem Leder daher, der andere mit der Filslederhose, der Dritte mit einer Badelederhose.

Ich fühl mich wohl in meiner Tracht. Ich bin ein Bayer, ein Münchner und ich mein auch ganz genau zu spüren, ob mein Gegenüber, das da in der Lederhose steckt, ebenfalls einer ist oder eher ein Nichtbayer. Ich spür das förmlich. Da ist dann irgendwie ein anderes Selbstbewusstsein.
Ganz in Tracht hab ich mich auch schon des Öfteren in Israel gezeigt. Zum Beispiel auf einer Hochzeit. Ich bin da bei so einem Sketch mit aufgetreten. Und zu Purim* geht’s dann mit Tracht in die Synagoge. Ich kenne ein paar Münchner, die nehmen ihre Tracht extra mit nach Israel, um die dann dort zu Purim zu tragen.

Im letzten Jahr bin ich mit Maccabi* auf die Wiesn gewesen. Wir hatten da auch eine schöne israelische Fahne dabei. Die haben wir dann über unserem Biertisch platziert, was alle recht lustig fanden. Den anderen um uns rum ist das gar nicht groß aufgefallen.

Innerhalb der jüdischen Community gibt es einige Grüppchen, die gerne zusammen auf die Wiesn gehen. Am Samstagabend nach Schabbat haben sie ihren Tisch, und da sitzen sie dann gemütlich. Natürlich kenne ich auch ein paar, die große Vorbehalte haben gegen alles, was mit bayerischer oder deutscher Tradition zu tun hat. Ist deren Problem. Meins ist es jedenfalls nicht.

Der große Unterschied zwischen einem jüdischen Wiesngang und einem nichtjüdischen ist, dass wir uns nicht „totsaufen“ müssen. Uns geht’s nicht ums Betrinken. Das ist kein Jewish issue, sag ich jetzt mal. Viele nichtjüdischen Freunde von mir, die gehen dahin, weil sie sich „wegschießen“ wollen. Das gibt es bei uns nicht. Ich kenn jetzt auch niemanden von uns, der sich extra frei nimmt für die Wiesn, damit er da ständig hingehen kann. Kenne ich nicht. Noch ein Unterschied ist natürlich, dass, wenn so Platten bestellt werden, dass die bei uns halt ohne Schwein sind. Sind dafür mit anderen feinen Sachen gefüllt. Ist ja überhaupt kein Problem.

Ich habe mich mal auf Facebook gepostet. Ein Bild von der Wiesn und ich davor in Tracht. Und da krieg ich auch gleich von einem jüdischen Freund aus Frankfurt einen Post zurück. Und zwar hat der mir in Kopie eine Anzeige geschickt aus dem „Stürmer“ von 1936, und da waren zwei Leute in Tracht zu sehen und drunter stand, „ab heut ist Trachtverbot für die Juden, und die einzige Tracht, die die verdienen, ist eine Tracht Prügel“. „Und jetzt erst recht“, habe ich mir gedacht, „und jetzt erst recht in der Tracht auf die Wiesn“.

*Purim: jüdisches Freudenfest, erinnert an die biblische Erzählung, nach der die Juden Persiens vor der Vernichtung gerettet worden sind.
*Maccabi: jüdischer Sportverein

Die Vered

Zum ersten Mal Wiesn, das war, als ich von Israel nach München gekommen bin, also vor 30 Jahren. Das, was ich da zu sehen bekommen habe, hat mich nicht wirklich geschockt. Aber zu meiner Lieblingsbeschäftigung ist die Wiesn auch nie geworden, obwohl ich inzwischen schon drei Dirndl besitze. Es ist mir zu voll, es ist mir zu laut, es ist mir zu eng. Dabei weiß ich natürlich schon auch, dass das genau die Sachen sind, die die Israelis aufs Oktoberfest locken. Da lässt sich gut Party machen. Und das Schunkeln auf den Bänken oder Tischen, das kennt man ja auch von den Bars in Israel.

Letztes Jahr im September habe ich bei uns zuhause ein kleines Oktoberfest gegeben. Wir hatten entsprechend dekoriert, es gab das passende Essen… Den Gästen habe ich gesagt, dass sie in Tracht kommen sollen. Und irgendwann stand mein Mann in der Tür und wir haben ihm ein Geburtstagslied gesungen.


Fotoausstellung Judn ohne Wiesn. Begegnungen mit Münchnerinnen und Münchnern in Tracht

Lydia Bergida (Fotografien und Idee) und Katrin Diehl (Textarbeit)
Vom 15.9. bis 18.10. im Foyer des Jüdischen Museum München
Eintritt frei