Mit 172.000 Besuchern im zweiten Stock

Das Jüdische Museum München erforscht in Sachen Web 2.0 und Social Media bereits seit fast zwei Jahren die Möglichkeiten des digitalen Raums in der Kulturvermittlung. Sei es mit einem Facebook-Auftritt, dem Museums-Blog oder auch Kooperationen mit anderen Projekten. Was am Freitag, den 23.11. beim Tweetup geschah, stellte alles in den Schatten, was die Mitmach-Medien dem Museum und den Besuchern bisher geboten haben – sowohl was die Mitwirkung als auch was die Reichweite angeht.

Hashtag? Follower? Tweet? Schon die Gespräche im Vorfeld der Veranstaltung zeigten, der Begriff „Tweetup“ ist in München noch lange nicht selbsterklärend. Zum Glück ist es schnell erklärt: Eine Gruppe Menschen geht mit ihren Handys durch eine Ausstellung und twittert ihr Inspirationen, Assoziationen und das neugewonnene Wissen in die virtuelle Welt. Dort werden die Tweets über einen so genannten Hashtag verfolgt, geteilt, kommentiert oder mit Fragen zurück gespielt – ein Museumsrundgang der anderen Art.

Bisher zeigten die klassischen Medien wenig Interesse an dieser Form der Führung-für-Menschen-mit-Handheld-und-Twitter-Account; egal ob Qualitätszeitung oder Studentensender. Entsprechend groß war der Lerneffekt auf Seiten der Reporter, wenn über Konzepte und Ziele des real-digitalen-Massentreffens erzählt wurde. Auch was die Schreibweise des Begriffs „Tweetup“ betrifft, der nichts mit dem feinen englischen Stoffwaren Tweed zu tun hat.

Das ist nicht verwunderlich. Twitter und seine Verlockungen haben sich in Deutschland noch nicht so weit herumgesprochen wie in anderen Ländern. Deutschland liegt mit knapp zehn Millionen Accounts weltweit nur auf Platz 20, was die Zahl der Accounts angeht. Weltweit gibt es mehr als eine halbe Milliarde Follower auf Twitter. Auch das Team des Jüdischen Museums hatte bisher nur ein vereinzelt Gehversuche auf Twitter unternommen. Man kann die Prognose wagen: Nach diesem Abend wird man künftig wohl öfter in kleinen Grüppchen flanieren gehen.

Ein Tweetup zu einem zeitgeschichtlichen Thema mit Exponaten der Gegenwart in diesem sensiblen Themenfeld der Ausstellung „Juden 45/90“ war ein Experiment. Doch bereits die Anmeldezahlen machten uns zuversichtlich. Die 30 Plätze für die exklusive Abendführung waren schnell vergeben. Auch das Medienecho von ZDF, über BR, SZ, M94.5 weckte Erwartungen.

Die größte Herausforderung des Abends, soviel war schnell klar, würde nicht das Multitasking für die Twitterer sein, sondern die Aufgabe für Kuratorin Piritta Kleiner eine Gruppe Besucher zu führen, die meist mit gesenkten Köpfen auf ihre Bildschirme blicken.

Was die Ausstellungsmacherin nur ahnen konnte: Neben den zwei Dutzend Besuchern vor Ort im Zimmer, nahmen im virtuellen Raum bis zu 1,26 Millionen Personen in vier verschiedenen Sprachen teil. 172.000 Twitternutzer beteiligten sich aktiv an dem Geschehen, in dem sie Tweets auf Deutsch, Russisch, Englisch und Französisch verschickten oder aktiv teilten.

Da staunte selbst die angereiste Digital-Elite. Christian Henner-Fehr entdeckte während des Abends die Möglichkeiten von Twitter in einer ganz neuen Dimension („Das Potenzial ist riesengroß!“) und schwärmte auf seinem Kulturblog: „Am Freitag durfte ich mein erstes Tweetup in München erleben und war restlos begeistert. Die Veranstaltung im dortigen Jüdischen Museum war perfekt organisiert, ein im ganzen Haus verfügbares WLAN sorgte dafür, dass die TeilnehmerInnen ohne Probleme twittern konnten (vor allem ich mit einer ausländischen SIM-Karte) und wenn man sich dann noch für die Ausstellung selbst interessierte, konnte schon nichts mehr schiefgehen. An dieser Stelle noch einmal danke an alle, die diese Veranstaltung, von der auch meine Fotos zu diesem Beitrag stammen, ermöglicht haben.“ Danke, das freut uns!

Ebenso glücklich macht uns das Resümee des Kommunikations- und Marketing-Experten Frank Tentler. Er twitterte aus dem Jüdischen Museum an seine 16.096 Follower: „Vorbildliche Führung @ #tweetup #jmmuc #kukon Dank an Piri Kleiner! instagr.am/p/SYZj3gmJ6i/“ und setzte nach dem Umtrunk im Foyer noch einen drauf: „Grosse ausstellung, tolle führung, klasse wein. Vielen Dank! @juedischemuseum #tweetup #jmmuc #kukon instagr.am/p/SYjaAqGJzy/“

Auch Christian Gries, Mitbegründer der Kulturkonsorten, sparte mit lobenden Worten nicht: „Das Jüdische Museum hat sich beim Tweetup als perfekter Veranstalter gezeigt: von der Exklusivöffnung des Hauses und einer tollen Führung über frei verfügbares W-LAN bis zum Catering und der Goodybag war alles dabei. Optimal vorbereitet und auf den hauseigenen und externen Kommunikationskanälen (wie dem Münchner Stadtportal muenchen.de) angekündigt, hat das Museum den Tweetup auch selber twitternd begleitend. Ein leuchtender und begeisternder Abend!“

Die wichtigsten Links zum Nachlesen.

Die gesamte Geschichte in Tweets zum Nachlesen gibt es hier auf storify.

Die Nachlese des Kulturkonsorten Christian Gries.

Hier ein wunderbarer Nachbericht von Tanja Praske: Full House Crossmedia – Tweetup im Jüdischen Museum München – Analoge trifft digitale Kunstvermittlung.

Zum Twitter-Account des Jüdischen Museums geht es übrigens hier.

Und zum Schluss noch ein paar kleine Videoausschnitte.

Alltagsgegenstände im Gepäck der Einwanderer. Piritte Kleiner über die wichtigsten Mitbringsel der osteuropäischen Juden, die in den 90er-Jahren nach München gekommen sind.

Romane wie Lion Feuchtwangers „Erfolg“ wurden genutzt, um sich auf die neue Heimat München vorzubereiten.

Wir danken allen Besuchern und Teilnehmern für diese gelungene Veranstaltung!

Zum Autor:
Marco Eisenack ist aktiv im Team der „Kulturkonsorten“ und betreut mit seiner Agentur text:bau die Social-Media-Kanäle und das Blog des Jüdischen Museums München.

3 thoughts on “Mit 172.000 Besuchern im zweiten Stock

  1. Wir waren vor zwei Wochen am Wochenende in der ganzen Familien hier. Wir sind als Münchener stolz darauf, das Jüdische Museum mitten in München zu haben. Ein Besuch ist immer ein tolles Erlebnis und absolut für jeden empfehlenswert.

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