Zwölf Monate – Zwölf Namen: Kehat Schor

Kehat Schor ist 1972 als Trainer der israelischen Sportschützen bei den Olympischen Spielen in München. Er und zehn weitere Sportler sowie ein bayerischer Polizist werden von palästinensischen Terroristen getötet. 50 Jahre danach gedenken wir unter dem Titel „Zwölf Monate – Zwölf Namen“ jeden Monat eines der Opfer. Im August gestalten Horst Konietzny und Saba Bussmann in Erinnerung an Kehat Schor eine Installation am NS-Dokumentationszentrum.
Kehat Schor, Iași (Rumänien), 1946, © privat

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Die Kleinstadt Podu Iloaiei liegt heute im Nordosten Rumäniens, am 21. Februar 1919 wird hier Kehat Schor als Sohn von Elka und Michale Schor geboren. Er wächst mit zwei Brüdern und vier Schwestern auf. Schon in jungen Jahren ist Schor vielseitig interessiert, liebt die Mathematik und das Theater, singt Oper und treibt Sport. Im Sportschießen kann er seine Leidenschaft für mathematische Präzision mit dem Sport verbinden und spezialisiert sich darauf. Wie seine Brüder studiert er in Frankreich, doch bevor er sich Ingenieur nennen kann, bricht der Zweite Weltkrieg aus und Schor kehrt zu seinen Eltern nach Rumänien zurück.

1941 lernt Schor Sarah Ekstein kennen, seine künftige Ehefrau. Sie und Teile ihrer Familie überleben nur mit großem Glück die Repressalien, Verfolgung und Deportationen durch den profaschistischen rumänischen Diktator Ion Antonescu, denen 1942 die meisten Mitglieder der großen jüdischen Gemeinde von Podu Iloaiei zum Opfer fallen. Auch Schor entkommt der Deportation, indem er sich während des Kriegs in die Karpaten flüchtet und dort versteckt. 1946 heiraten Sarah und Kehat, drei Jahre später wird ihre Tochter Michal geboren und die Familie beschließt nach Israel auszuwandern.

Kehat Schor mit seiner Frau Sarah und Tochter Michal, Juli 1949, © privat

Doch die Rumänische Volksrepublik verweigert ihnen zunächst die Ausreise. In den folgenden Jahren wird Schor noch mehrfacher rumänischer Meister im Schießen und ein engagierter Trainer. Aber er gibt seinen Plan nicht auf, lernt Hebräisch und erhält schließlich 1963 die Genehmigung des Ausreiseantrages. Die Familie reist über Italien nach Israel. Schor findet eine Anstellung als Sportschützentrainer in Ramat Gan, später koordiniert er als Angestellter des Kultusministeriums den Schießunterricht an Schulen. Daneben engagiert er sich als Trainer bei HaPoel Tel Aviv und schließlich als Trainer der israelischen Nationalmannschaft. In diesen Funktionen reist er mit seinen Sportlern mehrfach zu den Asian Games und 1968 zu den Olympischen Spielen nach Mexiko.

1972 betreut Schor Henry Hershkovitz und Zelig Shtroch, die sich für die Olympischen Spiele in München qualifiziert hatten und trainiert mit ihnen zur Vorbereitung in Rumänien, da hier die Wetterbedingungen den deutschen ähneln.

Kehat Schor steht hinter seinen Teamkollegen, v.l.n.r. Tuvia Sokolsky, Ze’ev Friedman, Gad Tsobary und Dan Alon bei den Olympischen Spielen in München 1972, © privat

In den frühen Morgenstunden des 5. September 1972 wird die israelische Delegation in ihrer Münchner Unterkunft von Terroristen überfallen und Schor zusammen mit zehn seiner Kollegen als Geisel genommen. Michal erfährt davon aus dem Radio und eilt zu ihrer Mutter, wo sich Freund_innen und Familie versammeln, um gemeinsam bangend die Nachrichten zu verfolgen. Am Abend kommt der erlösende Anruf des Israelischen Olympischen Komitees, es sei alles in Ordnung. Am nächsten Morgen stellt sich heraus, dass es sich um eine Falschmeldung gehandelt hatte: „In the morning we understood that not everything is ok.”, so Michal Schor.

Jahrzehnte später fühlt es sich für die Tochter noch immer so an, als wäre der Verlust ihres Vaters noch nicht lange her. Sie hat die Bilder noch immer vor Augen: Die Familien der Opfer warten am Flughafen in Israel hinter der Polizeiabsperrung auf das Flugzeug mit den Särgen ihrer Angehörigen. Für sie als Tochter ein traumatisch schmerzhafter Moment.

Text: Angela Libal; Recherche: Piritta Kleiner, Kuratorin des Erinnerungsortes Olympia-Attentat München 1972, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus

ZWÖLF MONATE – ZWÖLF NAMEN
50 Jahre Olympia-Attentat München

50 Jahre nach den Olympischen Spielen in München wird 2022 ganzjährig an das Olympia-Attentat am 5.-6. September 1972 erinnert. Jeden Monat steht dabei ein Opfer im Mittelpunkt des Gedenkens. Es werden verschiedene Interventionen im öffentlichen Raum stattfinden, von Installationen, die den ganzen Monat über zu sehen sein werden, bis hin zu eintägigen Aktionen.

Konzipiert und koordiniert wird das Erinnerungsprojekt vom Jüdischen Museum München und vom NS-Dokumentationszentrum München in Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat des Staates Israel. Die Umsetzung erfolgt mit Kooperationspartnern wie dem Historischen Verein Fürstenfeldbruck e.V., dem Deutschen Theater, der Polizeihochschule Fürstenfeldbruck und dem Polizeipräsidium München sowie weiteren Kultur- und Bildungseinrichtungen und anderen Interessierten.

August

Luftaufnahme: Am NS-Dokumentationszentrum ist eine Folie mit einem Portrait Kehat Schors montiert, davor Flaggen und eine Litfaßsäule mit Zitaten.
Installation am NS-Dokumentationszentrum, © Daniel Schvarcz

Das NS-Dokumentationszentrum München erinnert im August mit einer multimedialen Installation an den getöteten Trainer Kehat Schor. Auf Plakaten, Fensterfolien, Flaggen und einer Litfaßsäule wird er durch die Worte seiner Tochter Michal vorgestellt. Die von Horst Konietzny und Saba Bussmann gestaltete Installation antwortet auf die European Championships auf dem Königsplatz. Sie ist Tag und Nacht frei zugänglich.