Zwölf Monate – Zwölf Namen: Ze’ev Friedman

Unter dem Titel „Zwölf Monate – Zwölf Namen“ stellen wir jeden Monat ein Opfer des Olympia-Attentats von 1972 vor. Im März gedenken wir dem Gewichtheber Ze’ev Friedman. Er hielt sich nur zufällig in dem überfallenen Zimmer auf dem Olympiagelände auf, um für seinen Mannschaftskollegen Mark Slavin, der erst von Russland nach Israel zugewandert war, ins Hebräische zu übersetzen.
Ze’ev Friedman stemmt ein Gewicht in die Höhe. Im Hintergrund sind mehrere Flaggen aufgestellt, u.a. die Neuseeländische.
Ze’ev Friedman in Norwegen, 1967/1968. Foto: © Privat

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Geboren wird Ze’ev Friedman am 10. Juni 1944 in Prokopjewsk in Sibirien. Seine Eltern Hannah und Shlomo Friedman stammten aus Polen. Sie waren in die Sowjetunion geflohen, nachdem das NS-Regime ihre beiden Familien ermordet hatten. Hier kommt 1946 auch Ze’evs Schwester Nina zur Welt. Nach deren Aussage bleiben die Geschwister Zeit seines Lebens eng verbunden.

Ze’ev ist dreizehn, als die Familie 1957 nach Bielawa in Polen zieht, um von hier aus die lang ersehnte Emigration nach Israel vorzubereiten. Ab 1960 leben die Friedmans in Israel.

Familie in sommerlicher Kleidung in der Natur. Der ca. 10-Jährige Ze'ev trägt eine schwarze Hose und ein weißes Unterhemt. Er leht an seinen Vater, der mit freiem Oberkörper im Gras hockt.
Ze’ev Friedman mit seiner Familie. V.l.: Nina, Mutter Hannah, Cousin Yakov, Vater Shlomo, Ze’ev, Prokopjewsk, um 1954, Foto: © Privat

Von klein auf sportbegeistert, beginnen Ze’ev und seine Schwester schon in Polen zu turnen. Mit 17 Jahren nimmt er an ersten Wettkämpfen teil. Er gewinnt mehrere Medaillen und die israelischen Meisterschaften im Ringturnen und Bockspringen. Friedman ist nur 1,56 Meter groß. Diese geringe Körpergröße scheint ihm trotz seiner Erfolge als nachteilig für den Turnsport. Deshalb wechselt er zu den Gewichthebern und wird im Hapoel Kiryat Chaim Sportclub ausgebildet. Sieben Jahre lang ist er Israels Meister im Bantamgewicht. 1967 wird er „Athlet des Jahres“ im Gewichtheben. Er bricht drei israelische Rekorde und vertritt Israel auch international, wie etwa 1971 bei den Asienmeisterschaften auf den Philippinen, wo er den dritten Platz macht.

Weil Ze’ev Friedman gerne mit Kindern und Jugendlichen in der Nachwuchsförderung arbeitet, lässt er sich nach seinem Wehrdienst ab 1965 am Wingate Sportleistungszentrum zum Sportlehrer ausbilden. Die Olympischen Spiele sollten der Höhepunkt und das Ende seiner Profikarriere werden. Danach wollte er sich ganz seinen Aufgaben als Sportlehrer widmen.

Bei den Spielen in München belegt er den zwölften Platz, die beste Leistung der israelischen Gewichtheber. Am 3. September, dem Tag seines Wettkampfes, schreibt er auf einer Ansichtskarte an seine Familie, dass alles wunderbar sei und er gut abgeschnitten habe, dass er alle vermisse und wieder nach Hause wolle. Diese und eine Karte vom 26.8. sollten seine Familie erst nach seinem Tod erreichen.

Am 5. September 1972 werden Ze’ev Friedman und zehn weitere israelische Delegationsmitglieder in ihrem Quartier im Olympischen Dorf von palästinensischen Terroristen als Geiseln genommen. Bei dem missglückten Befreiungsversuch auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck wird Friedman von einem der Geiselnehmer in einem der beiden Hubschrauber erschossen.

Rückseite einer Postkarte von den Olympischen Spielen in München.  Sie ist in russischer Schreibschrift beschrieben und an "Fridman Schlomo" in Israel adressiert.
Ze’ev Friedman an seine Eltern, Postkarte von den Olympischen Spielen mit Neujahrswünschen: „Beinahe vergessen – ich gratuliere euch zum Neujahr, wünsche viel Glück und Gesundheit“, 26.8. 1972 München, Foto: © Privat

„Beinahe vergessen – ich gratuliere euch zum Neujahr, wünsche viel Glück und Gesundheit“, hatte Ze’ev abschließend auf seine Karte vom 26.8. geschrieben. Die guten Wünsche erfüllten sich nicht: Ze’ev wird ermordet, Vater Shlomo erleidet einen Herzinfarkt, Mutter Hannah einen Nervenzusammenbruch.

Ze’ev Friedman wurde an einem Dienstag ermordet. Dienstag für Dienstag fährt Hannah Friedman von nun an ans Grab ihres Sohnes und legt frische Blumen nieder. Vierundzwanzig Jahre lang, bis zu ihrem eigenen Tod 1996.

Und Nina? Trotz des Schmerzes über den Tod ihres geliebten Bruders sinnt sie nicht nach Rache: „Killing brings only more killing. We kill they kill, we kill they kill. It didn’t make it any easier for us or better. It will never bring my brother back. It will only be better the moment we sit and talk to each other and find a solution instead of killing each other all the time“.

Text: Elisabeth Lang, Bauernhofmuseum Jexhof; Recherche: Piritta Kleiner, Bayerisches Staatsministeriums für Unterricht und Kultus

ZWÖLF MONATE – ZWÖLF NAMEN
50 Jahre Olympia-Attentat München

50 Jahre nach den Olympischen Spielen in München soll 2022 ganzjährig an das Olympia-Attentat am 5.-6. September 1972 erinnert werden. Jeden Monat steht dabei ein Opfer im Mittelpunkt des Gedenkens. Es sind verschiedene Interventionen im öffentlichen Raum geplant, von Installationen, die den ganzen Monat über zu sehen sein werden, bis hin zu eintägigen Aktionen.

Konzipiert und koordiniert wird das Erinnerungsprojekt vom Jüdischen Museum München und vom NS-Dokumentationszentrum München in Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat des Staates Israel. Die Umsetzung wird mit Kooperationspartnern wie dem Amerikahaus, dem Landkreis Fürstenfeldbruck, dem Deutschen Theater, der Polizeihochschule Fürstenfeldbruck und dem Polizeipräsidium München sowie weiteren Kultur- und Bildungseinrichtungen und anderen Interessierten erfolgen.

März

Außenausstellung des Bauernhofmuseums Jexhof, Foto: © Daniel Schvarcz

Das Bauernhofmuseum Jexhof im Landkreis Fürstenfeldbruck erinnert im März an Ze’ev Friedman. In einer Installation im Außenbereich des Museums wird seine Lebensgeschichte erzählt. So können sich Interessierte unabhängig von Öffnungszeiten mit diesem israelischen Ausnahmesportler beschäftigen. Die lebensgroße Silhouette Friedmans nimmt dabei ein gestalterisches Element der aktuellen Sonderausstellung im Jexhof auf: „Die Unsichtbaren sichtbar. Jüdische Biografien aus der Brucker Region“. Diese kann bis 29.5.2022 zu den regulären Museumsöffnungszeiten besichtigt werden.