#PostAus – Der Otto-Wolfsthal-Platz in Aschaffenburg

Die gut sichtbare Leerstelle in der Innenstadt – neben dem ehemaligen Rabbinerhaus – trägt den Namen Otto-Wolfsthal-Platz. Ein Mahnmal erinnert an die während der Novemberpogrome 1938 zerstörte Synagoge in Aschaffenburg. Dieses Synagogen-Mahnmal wurde bereits im November 1946 enthüllt.
Otto-Wolfsthal-Platz mit Gedenkstein, um 1950, Foto: Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg © Fotostudio Hesse

Als Mordechai W. Bernstein für seine Recherchen 1951 Aschaffenburg besuchte, erkannte er das frühe Erinnerungszeichen – einen Gedenkstein – in Aschaffenburg und hinterfragte diese Besonderheit der deutschen Nachkriegsgeschichte: Wer hatte die Erinnerung angestoßen? Waren es Überlebende der Schoa? Die amerikanische Militärregierung? Oder gar Aschaffenburgerinnen und Aschaffenburger? Wer ist Otto Wolfsthal?

Otto Wolfsthal (1870-1942) war ein bekannter Bankier, der sich in Aschaffenburg als Wohltäter einen Namen gemacht hatte. Mütterlicherseits stammte er aus der Familie Dilsheimer, eine der angesehensten Familien Aschaffenburgs, deren Wurzeln bis ins Mittelalter zurückreichten. Er erhielt als einer der letzten als Juden Verfolgten im Herbst 1942 zusammen mit seiner Frau Maria (1879-1942) den Befehl zur Deportation. Als man die beiden aus ihrer Wohnung nahe der ehemaligen Synagoge verschleppen wollte, fand man sie tot: Sie hatten den Freitod gewählt, um der Deportation zu entgehen. Gemeinsam mit ihnen wählten noch fünf weitere Aschaffenburger und Aschaffenburgerinnen diesen Ausweg.

Am 10. November 1938 setzten Mitglieder der SA die Synagoge in Brand. Foto: Synagoge und Jüdisches Gemeindehaus um 1900, gemeinfrei

Im November 1946 benannte der Aschaffenburger Stadtrat den Platz der ehemaligen Synagoge nach Otto Wolfsthal. Außerdem wurde ein Mahnmal errichtet, um an die am 9. November 1938 zerstörte Synagoge zu erinnern. Es handelt sich um eines der frühsten Erinnerungszeichen der deutschen Nachkriegszeit und eines der wenigen, die auf die Initiative einer Stadtgesellschaft zurückgehen. Ein Zitat aus Friedrich Hölderlins Hyperion ist eingeschrieben:

HIER STAND DIE

SYNAGOGE DER

ISRAELITISCHEN

KULTUSGEMEINDE

DIE AM 9. NOVEMBER

1938 VON VERBRECHER

HAND ZERSTÖRT WURDE.

ACH, TÖTEN KÖNNT

IHR; ABER NICHT

LEBENDIG MACHEN

WENN ES DIE LIEBE NICHT TUT.

Hölderlin

Das Hölderlin-Zitat wurde von dem Stadtrat Prof. Karl Rupprecht vorgeschlagen. Bemerkenswert ist hierzu sein Hintergrund: Geboren 1889 in Uengershausen bei Würzburg, studierte er Klassische Philologie und promovierte in München. In den 1920er Jahren unterrichtete er dort als Lehrer am Wilhelmsgymnasium. In dieser Zeit lernte er die Münchnerin Emmy Frieda Rosenbusch kennen. Sie heirateten, bekamen zwei Kinder und gingen 1925 nach Aschaffenburg. Karl Rupprecht wurde nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten im Zuge des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ von 1933 aus dem Schuldienst entlassen und seine Frau aufgrund ihrer jüdischen Herkunft diffamiert. Emmy Rosenbusch überlebte in der sogenannten privilegierten Mischehe in Aschaffenburg. Ihre Mutter Ida Rosenbusch verstarb mit unbekannter Todesursache 1939 in München. Die Geschichte ihres Vaters in München erinnert an das Schicksal von Otto Wolfsthal in Aschaffenburg: Justizrat Dr. Julius Rosenbusch beging am 16. Juni 1942 in München Suizid.