Man könnte meinen, dass Hilde Grünberg einen nicht eben leichten Start ins Leben hatte: Der Vater verließ die 1936 geborene Hilde und ihre Mutter bereits, als Hilde gerade einmal drei Jahre alt war: Die jüdische Herkunft seiner Frau verhieß in Zeiten des nationalsozialistischen Rassenwahns zu viele Probleme, so Hilde Grünberg im Rückblick. Hildes Mutter zog daraufhin mit ihrer Tochter zu ihrer Mutter, die ebenfalls geschieden war und gemeinsam mit ihrer anderen Tochter in einer Wohnung in Haidhausen lebte. Hildes Mutter und Tante arbeiteten und ernährten die Familie, Hilde wurde von ihrer Großmutter betreut.
Doch aus Hilde Grünbergs Worten spricht weder Verbitterung noch Entbehrung, wenn sie von dieser Zeit erzählt. Im Gegenteil zeichnet sie das Bild eines starken und selbstbewussten Frauenhaushalts in dieser schwierigen Zeit, der ihr neben Bildung und liebevoller Fürsorge auch feste politische Überzeugungen mitgegeben hat. So berichtet sie, dass in ihrer Familie das Zeigen des Hitler-Grußes stets verweigert wurde – einen Grundsatz, an den sich Hilde schon als kleines Mädchen immer hielt, auch als sie zeitweilig von ihrer Familie getrennt leben musste. Denn spätestens 1942 holte die nationalsozialistische Verfolgung die Familie unmittelbar ein: Hildes Großmutter, protestantisch getauft und in den Erinnerungen Hilde Grünbergs vor allem eine stolze Westpreußin, wurde vor den Augen Hildes und ihrer Tante von der Gestapo aus der Wohnung abgeholt und ins KZ Theresienstadt deportiert.
Auch für Hildes Mutter und ihre Tante wurde die Situation zunehmend prekärer. Als in der Terminologie der Nationalsozialisten sogenannte „Halbjüdinnen“ waren auch sie nicht mehr sicher und sahen sich gezwungen, unterzutauchen. Die siebenjährige Hilde konnten sie 1943 in einer Kinderlandverschickung unterbringen, in deren Rahmen sie auf einem Bauernhof in Schwabbruck einquartiert wurde. Das Jahr dort war schwer für Hilde: die harte Arbeit auf dem Hof, die Einsamkeit und die Ungewissheit um das Schicksal ihrer Familie machten ihr zu schaffen. Sie erzählt, dass ihr in dieser Zeit vor allem die Tiere, die sie hüten musste, ein Trost waren. 1944 gelang es der Tante, Hilde nach Isen zu holen, wo sie selbst untergetaucht war. Dort lebte Hilde bis zur Befreiung 1945 bei einer bekannten Familie ihrer Tante, bei der es ihr gut ging, so erinnert sie sich.
Dass die Großmutter Theresienstadt überlebt hatte, erfuhr Hildes Tante aus der Zeitung. Am besagten Tag der Ankunft der Überlebenden, holte die Tante die entkräftete alte Frau am Bahnhof ab. Sie konnten zurück in die Wohnung, in der sie bereits vor dem Krieg gelebt hatten. Wenige Wochen später gelangten auch Hilde und ihre Mutter wieder nach München, wie durch ein Wunder war die ganze Familie wieder vereint.
Hilde Grünberg hat sich später intensiv mit ihren jüdischen Wurzeln beschäftigt, die Großmutter erzählte ihr viel aus ihrem eigenen Elternhaus und den dort gepflegten Traditionen. Später hatten sie einige Bekannte aus Israel und besuchte das Land öfter. Auch durch ihren späteren Ehemann, der aus Polen stammte und als einziger aus seiner Familie die Vernichtungslager überlebte, kam sie mit der jüdischen Gemeinde in Kontakt. Nach dem Tod ihres Mannes 1986 engagierte sich Hilde Grünberg über viele Jahre in der Israelitischen Kultusgemeinde, der sie auch heute noch verbunden ist.
Am Ende des Abends beantwortete Hilde Grünberg geduldig die zahlreichen Fragen aus dem Publikum. Viele trieb vor allem die Frage um, wie es für die Familie war, nach den Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg wieder in München anzukommen. Hilde Grünberg bestätigt, dass es nicht leicht war. Vor allem, als in den 1950er Jahren die ehemaligen Nazis wieder in Amt und Würden rückten und unter vorgehaltener Hand bald wieder antisemitische Ressentiments geschürt wurden – die heutige Stimmung im Land erinnert sie erschreckend an diese Zeit. Daran anschließend bittet sie auch um das Schlusswort: eine Warnung vor dem erstarkenden Rechtspopulismus dieser Tage und ein Plädoyer für das stetige Ringen um Demokratie.
Das ganze Gespräch zum Nachhören: