Raus aus der Uni, rein ins Feld! Das Resultat einer richtig spannenden Kooperation könnt ihr ab Mittwoch im Jüdischen Museum München bestaunen. Zwölf Master-Studierende der Völkerkunde an der LMU München begaben sich im Sommer 2014 auf ethnologische Spurensuche quer durch Europa.Zu Erforschen galt es dabei urbane jüdische Lebenswelten und Formen jüdischer Identitäten im heutigen Europa. Sieben Städte sind es nun, die in diesem semesterübergreifenden Projekt von je einer Arbeitsgruppe in der Ausstellung im jüdischen Museum München portraitiert werden.
Die Wahl fiel dabei auf Istanbul, London, Budapest, Marbella, Warschau, Umeå und Reykjavik. Sicher eine teils überraschende Wahl, die zum einen die Interessen der Studenten widerspiegelt, aber auch möglichst viele Regionen des Kontinents abbilden soll, verriet Ulrike Heikaus, Kuratorin des Jüdischen Museums München, heute auf der Pressekonferenz.
Verschwindet sonst so manche umfangreiche Forschungsarbeit, die man im Rahmen eines Studiums anfertigt, wohl für immer in den Annalen der geduldigen Universitätsarchive, so entwickelt sich hier daraus ein tolles, erlebbares Museumsprojekt.
Für die – wirklich gelungene – Szenografie verantwortlich zeichnet chezweitz aus Berlin in Zusammenarbeit mit den Studenten. Klar, Text allein – meist einziges Endprodukt gesellschaftswissenschaftlicher Studienprojekte – ist dann auch nicht wirklich museumstauglich. So wurden die vor Ort beobachteten Phänomene für das Museum in Bild, Ton, Video, Design und Wort übersetzt. Eine klassische Objektausstellung ist es also nicht. Vielmehr soll auf beispielhafte und assoziative Weise das Nachempfinden der jüdischen Lebenswelten ermöglicht werden.
Von Kulturerzeugnissen in einer fast ausgestorbenen Sprache („Juden-Spanisch“ – gesprochen von nur noch wenigen hunderten Juden in Istanbul), über die hippen, von Gentrifizierungsprozessen bedrohten, Ruinenkneipen in Budapest bis zu einer jüdischen Begegnungsstätte in Form eines kleinen gelben Hauses im schwedischen Umeå: Verschiedenste Erfahrungen prägten die Forschungsreisen der Studenten. Genauso heterogen sind auch die Ansätze, jüdische urbane Kultur zu vermessen.
Die Vernissage findet am Dienstag den 07.07.2015 um sieben Uhr abends statt (das kann wohl kein Zufall sein? Sieben Städte und so?!). Die Ausstellung beginnt dann regulär am Mittwoch.
Hier noch ein paar weitere Impressionen von der Ausstellung:
Ursprünglich ein Szenegeheimtipp, sind die hippen Ruinenkneipen im jüdischen Viertel von Budapest längst im (Tourismus-)Mainstream angekommen
Viele verstehen hier wohl nur (Juden-)Spanisch – die fast ausgestorbene Sprache der jüdischen Einwanderer in Istanbul
Gerade der urig-improvisierte Charakter der angesagten Budapester Ruinenkneipen gefällt der Hipster- und Tourismusszene – und wertet damit das Viertel auf – die Kehrseite sind einsetzende Gentrifizierungsprozesse
Im Museum muss man ja oft Stehvermögen mitbringen – in diesem Fall lädt die ein oder andere Station zum Hinsetzen
Jüdische Straßenfeste erfreuen sich in Warschau großer Beliebtheit
So arbeiten Ethnografen: Skizzen, Notizen, Flyer, Zugtickets etc. – kurzum: das Material, aus dem Forschungsberichte (oder eben Ausstellungen) entstehen
Ein Teil der Forschungsskizzen und -dokumente kann im Detail betrachtet werden
Auch zu hören sind Songs in Judenspanisch
Koscheres Essen ist ein großes Thema in der Food-Metropole London – auch einige Kochbücher mit jüdischem Kontext gibt es natürlich – und Rezepte zum Mitnehmen
Schaut euch die netten Betreiber der „Judiska Föreningen“ an – die ausgelegten Tablets zeigen Videos vom echten gelben Haus der jüdischen Gemeinde in Umeå
Eine jüdisch codierte Tourismusszene soll es an der Costa del Sol in Marbella (Spanien) geben – vor Ort gestaltet sich der Feldzugang als durchaus kompliziert
Bildrechte: Jüdisches Museum München
Textrechte bei Florian Kraus