Ihr von Veränderungen geprägtes Leben reflektiert Gabriella Rosenthal in einem Brief an ihren Vater Erwin Rosenthal: Sie sei eine Frau mit lauter „schief eingehängten Dreiviertelbegabungen“ und wisse als „Großmutter“ immer noch nicht „worauf sie eigentlich „hinaus“ will.“ (Stadtarchiv München, NL-ROS-0373, Brief von Gabriella Rosenthal an Erwin Rosenthal, 17. Juli ohne Jahr)
Während ihrer Jugend in München weiß Gabriella Rosenthal hingegen noch sehr genau worauf sie „hinaus“ will: Zeichnen und Malen. Schon 1930 meldet ihr Vater sie daher von der Schule ab. Stattdessen beginnt sie ihre künstlerische Ausbildung, zunächst in der Kunstschule Karl Blocher und später in Paris und Florenz. Doch wie jedes Enkelkind der Familie arbeitet auch sie im Antiquariat des Großvaters Jacques Rosenthal, wo sie sich nicht nur mit den großen Künstlern beschäftigt, sondern auch zahlreiche Sprachen studiert.
Die Liebe begegnet ihr in einem Münchner literarischen Zirkel: Hier trifft sie den Autor und Religionswissenschaftler Fritz Rosenthal, der sich später Schalom Ben-Chorin nennen wird. Im Anschluss an die Hochzeitsreise wandern sie 1935 nach Jerusalem aus, wo 1936 ihr Sohn Tovia Ben-Chorin geboren wird:
…aber es war sehr wichtig, dass sie einen Sohn hatte, weil wenn sie zu arabischen Dörfern ging […] oder bei den Drusen, war ihr Name nicht Gabriella Rosenthal, sondern Umm Tovia, die Mutter von Tovia. Dass sie einen Sohn hatte, das machte sie legitim.
(Ausschnitt aus: Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum: „Es war einmal in Jerusalem – Gespräch mit Rabbiner Tovia Ben Chorin“, Min. 1.57-2.19)
Während Schalom Ben-Chorin sich in Jerusalem als Journalist betätigt, arbeitet Gabriella Rosenthal als Zeichnerin für verschiedene Zeitschriften. Besonders bekannt wird sie durch die Reihe „Palestine People“ (1946-1947), die in der Palestine Post veröffentlicht wurde. Diese und auch ihre weiteren Bilder zeichnen sich durch einen ungeschönt ehrlichen, aber herzlichen und humorvollen Blick auf die Menschen und den Alltag in Jerusalem aus.
1943 lassen sich Gabriella Rosenthal und Schalom Ben-Chorin scheiden, bleiben jedoch ihr Leben lang freundschaftlich verbunden. Im selben Jahr tritt Gabriella Rosenthal für kurze Zeit der britischen Luftwaffe in Kairo bei. Anschließend kehrt sie nach Jerusalem zurück, wo sie erneut ihre Arbeit als Zeichnerin aufnimmt.
Nach der Ausrufung des israelischen Staates 1948 erhält Gabriella Rosenthal vom Innenministerium den Auftrag für eine Flugblattserie, die für ein freundschaftliches Verhältnis zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung Juden und Arabern wirbt. Nach Fertigstellung dieser Serie zieht Gabriella Rosenthal sich aus der journalistischen Arbeit zurück und widmet sich stattdessen anderen Tätigkeiten, bei denen ihr auch die im Antiquariat erlernten Sprachen zu Gute kommen:
Und hat Dir das Nickerl von meinen Plänen mit dem Touristen-Führer-Kurs erzählt? Dieser findet im Winter – ab November oder Dezember – in Tel-Aviv statt. Man muss allerdings eine Prüfungskommission passieren. Aber ich mein, SO schierlich bin ich wieder nicht, und des stand erst neulich wieder in der Zeitung, dass Leute mit Italienisch und Französisch mit Lichtern gesucht werden. Und ausserdem kann ich doch so fliessend katholisch.
(Stadtarchiv München, NL-ROS-0370, Brief von Gabriella Rosenthal an Erwin Rosenthal, 29. August ohne Jahr)
Außer dieser Tätigkeit als Reisebegleiterin für Touristen gibt Gabriella Rosenthal Zeichenunterricht in einigen Dörfer mit arabischer und drusischer Bevölkerung. Zuletzt plant sie die Publikation eines Kochbuchs und eines Bandes mit Zeichnungen zu den zahlreichen jüdischen Sprichworten. Beide Projekte kann Gabriella Rosenthal leider nicht vollenden, da sie 1975 stirbt.
Die Ausstellung „Von der Isar nach Jerusalem – Gabriella Rosenthal (1913-1975) – Zeichnungen“ im Jüdischen Museum München als Übernahme der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum möchte Einblicke geben in Weltsicht und Werk dieser facettenreichen Künstlerin, die in ihrem ereignisreichen Leben zahlreiche Kulturen kennen gelernt und zeichnerisch festgehalten hat. Einen ganz persönlichen Einblick bieten das Gespräch mit dem Sohn Gabriella Rosenthals, Tovia Ben-Chorin, das im Rahmen des Begleitprogramm der Ausstellung in Berlin stattgefunden hat und derzeit wegen Corona leider nicht noch einmal in München stattfinden kann. Aber es gibt die Möglichkeit, das Gespräch online anzusehen.
Ich bin sehr beeindruckt von der Persönlichkeit von Gabriella Rosenthal und ihrer Familiengeschichte.
Leider habe ich die Ausstellung verpasst und hoffe auf eine Gelegenheit das nachholen zu können.