Erinnerungen Julius Spanier

Ab dem 15. Juli 2015 bietet das Jüdische Museum München in Kooperation mit der LMU ein besonderes Projekt: Studierende des Lehrstuhls für Geschichte und Kultur haben sich auf die Spuren des Münchner Arztes Julius Spanier (1880-1959) begeben und zeichnen in einer Studienraum-Ausstellung dessen bewegtes Leben nach.
Julius Spanier bei der Wiedereröffnung der Synagoge Reichenbachstraße Fotografie, München, 20. Mai 1947; Digitales Archiv des Leo-Baeck-Instituts

Geboren 1880, Medizinstudium in München und Arbeit in der Säuglingsfürsorge, wurde Julius Spanier später zu einem Opfer von Entrechtung und Verfolgung im NS-Staat. 1942 dann die Deportation nach Theresienstadt, wo er weiterhin seine Mithäftlinge ärztlich betreute. Bei Kriegsende befreit und nach München heimgekehrt, wurde er Präsident der wiedergegründeten Israelitischen Kultusgemeinde. Daneben engagierte er sich für Verständnis und Versöhnung in Politik und Gesellschaft der Nachkriegszeit. Aber auch als Kinderarzt war Julius Spanier seit 1946 wieder tätig.

Julius Spanier und das Klinikpersonal in der Lachnerstraße, um 1955 Archiv der Berufsfachschule für Kinderkrankenpflege, Klnikum Dritter Orden
Zulassung Julius Spaniers als „Krankenbehandler“ mit Sprechstundenplan, 1938; Bayerische Israelitische Gemeindezeitung

Mit 75 Jahren trat Julius Spanier als Arzt in den Ruhestand, bereits zuvor hatte er sich aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nach und nach aus den meisten seiner öffentlichen Ämter zurückgezogen. Dessen ungeachtet zeigte er bis zu seinem Tod 1959 weiterhin soziales Engagement, etwa als Vorsitzender der „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ in München oder als Kuratoriumsmitglied der „Grotius-Stiftung zur Verbreitung des Völkerrechts“.

Zahlreiche Weggefährten Spaniers gewähren uns durch die Zeugnisse ihrer Erinnerungen heute noch einen sehr persönlichen und besonders nahen Blick auf das Leben von und die Person Julius Spanier.

Julius Spanier 1880-1959 Fotografie, o.O., undatiert; Digitales Archiv des Leo-Baeck-Instituts

Schon die Glückwünsche zu seinem 75. Geburtstag 1955 verdeutlichen, welch hohes Ansehen Julius Spanier bis zu seinem Lebensende genoss. Der bei den Feierlichkeiten anwesende Staatssekretär Dr. Meinzolt erklärte in seiner Glückwunschrede, „wenn heute alle diejenigen, die im Leben Gutes von Ihnen erfahren haben und Ihnen Dank wissen, hier versammelt  wären und ihre Stimme zu Ihrem Lob erheben würden, dann würde der Chor des Dankes die Wände dieses Hauses sprengen“. Ebenso wurde er zu diesem Jubiläum für seine jahrzehntelange ärztliche Tätigkeit als „Vater der Münchner Säuglingsfürsorge“ geehrt, welche es in der Zwischenkriegszeit geschafft hatte, die Säuglingssterblichkeit in der Stadt von 25% auf lediglich 4% zu senken.

Die Münchner Schriftstellerin Gerty Spies, die mit ihm nach Theresienstadt deportiert worden ist, würdigt Julius Spanier in ihren Erinnerungen. Sie beschreibt nicht nur seinen aufopfernden Einsatz für die Kranken im Lager, sondern auch, dass dieser im Krankenhaus immer als „der Sonnenschein“ bezeichnet worden sei, weil er selbst die Schwerkranken noch aufzumuntern pflegte. Gerty Spies erzählt auch, warum Spanier nach den Schrecken der Schoa eine Neuanfang in seiner Heimatstadt wagte: „ ,Ich habe alles vergessen´, pflegte er leichthin zu sagen. Aber das hab ich ihm nie geglaubt. Der Jude in ihm konnte, durfte und wollte auch nicht vergessen. Aber sein gütiges Herz hatte verziehen, und sein weitblickender Geist war aus dem Erleben über das Erleben emporgewachsen.“

Die Beerdigung von Julius Spanier im Januar 1959 fand über München hinaus große Anteilnahme. Der Priester und KZ-Überlebende Dr. Emil Muhler, ein Freund Spaniers, ehrte sein jahrelanges Engagement zur Versöhnung mit den Worten: „Dr. Spanier ist tot, aber sein Geist darf nicht sterben“. Auch der Landesrabbiner Dr. Fritz Bloch sprach in seiner Trauerrede davon, dass „ein Zaddik die Stadt verlassen hat.“

Noch im Jahr seines Todes beschloss der  Münchner Stadtrat, Julius Spanier mit einer Gedenkplakette zu ehren. Diese erinnert seit 1960, in der Kinderklinik an der Lachnerstraße, mit einem Porträt und einer Inschrift an sein Wirken: „Dr. Julius Spanier, 1880 bis 1959. Mitbegründer der Münchner öffentlichen Säuglingsfürsorge. Chefarzt von 1946 bis 1955. Helfer und Wohltäter in schweren Jahren.“ Die Gedenktafel befindet sich seit 2002 in der Kinderklinik im Krankenhaus des III. Ordens in Nymphenburg.

Mehr als ein halbes Jahrhundert nach Julius Spaniers Tod leben heute in München nur noch wenige, die ihn zu Lebzeiten gekannt haben oder sich an seinen Namen erinnern. Doch es gibt Bestrebungen, dies zu ändern: So forderte der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg im Januar 2013, die damals eröffnete Grundschule „Nymphenburg Süd“ nach Julius Spanier zu benennen. Die Grundschule sei dem Bezirksausschuss nach ein Ort, der dem Vermächtnis Spaniers gerecht werde. Die Namensgebung der Grundschule soll daher in naher Zukunft realisiert werden, um so öffentlich an das Wirken Julius Spaniers zu erinnern.

Sebastian Peters

 

Eindrücke der Ausstellung (Fotocredit: Franz Kimmel)

Die Ausstellung läuft seit dem 15.07.2015 bis zum 14.02.2016.