Reisefieber (01): The Jewish Princesses in London

Auf in den Sommer. Die Ferien liegen vor uns und allgemein beginnt das wilde Packen, Reiseliteratur wälzen, Sonnencreme einkaufen. Passend zum Reisefieber finden Sie in der Wechselausstellung „Jüdisches Europa heute. Eine Erkundung“, die von Studierenden des Instituts für Volkskunde/Europäische Ethnologie erarbeitet wurde, noch interessante Einblicke zu jüdischer Kultur und Lebenswelten in sieben Orten in Europa. Drei von ihnen werden in den folgenden drei Blogbeiträgen von einer der Studierenden noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Die Reise beginnt in London.
Schaufenster mit Postern und Jutebeutel "I don't do calm I'm a NW London Princess", "How can I do calm, I have a Jewish mother", und weitere.
Schaufenster in London, 2014. Foto: Sarah Kloke

The Jewish Princess – ein Name der Aufmerksamkeit erregt. Während Kinder mit Prinzessinnen schöne Frauen, die begehrt werden, assoziieren, zeichnen Erwachsene meist ein anderes Bild. Wer als Prinzessin bezeichnet wird, kann sich sicher sein, dass weniger die eigene Schönheit gemeint ist, sondern eher Arroganz, Egozentrik und Unselbstständigkeit.

Kaugummi kauend, mit falschen Nägeln und operierter Nase – so besingt Frank Zappa die Jewish Princess in dem gleichnamigen Lied, das 1979 auf seinem von Erfolg gekrönten Album „Sheik Yerbouti“ erschien. Er geht auf obszöne (bis humoristische) Weise auf Stereotypen ein, die gegenüber jungen, jüdischen Frauen in Amerika gehegt werden. Die Anti-Defamation-League wurde auf das Lied aufmerksam und verlangte von dem Musiker, dass er sich für die Beleidigung jüdischer Frauen entschuldigen solle. Er weigerte sich dies zu tun, denn schließlich habe er diesen Stereotyp nicht erfunden. Tatsächlich tauchte dieses Bild von reichen, verzogenen amerikanischen Jüdinnen bereits in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf und hält sich hartnäckig bis heute. Die „JAP“ (Jewish American Princess) findet sich auch heute noch als Figur in amerikanischen Filmen oder Serien wieder.

Seite aus dem Kochbuch, rechts: Text "princess philosophy", links: Illustration, Frau im Bett mit Kaffeetasse, Handy und Schlafmaske "Do not disturb"
Aus dem Kochbuch „Jewish Princess“ von Georgie Tarn und Tracey Fine

Georgie Tarn und Tracey Fine aus London möchten mit ihrer Marke und ihren Kochbüchern diesen Stereotyp zum Positiven umdeuten. Der Untertitel ihrer Kochbuchreihe lautet „being jewish as a lifestyle and profession“. Die Rezepte sind wesentlicher Bestandteil, aber die Bücher geben auch einen Ratgeber zur Hand, der jüdische Frauen darin bestärken soll, dass es keine Schande ist, eine Jewish Princess zu sein. Ganz im Gegenteil: sie sollten stolz darauf sein. Die Rezepte darin sollen einfach und schnell von der Hand gehen, lecker schmecken und natürlich schön aussehen. Auf ihrem eigens eingerichteten YouTube-Kanal gibt es jeden Donnerstag ein neues Video, in dem Tracey und Georgie uns etwas vorkochen.

Georgie Tarn und Tracey Fine in pinkfarbenen Kochschürzen blättern in ihrem Kochbuch, im Hintergrund ist eine Küche zu erkennen
Die Kochbuchautorinnen Georgie Tarn und Tracey Fine. 2015. Foto: Jewish Princess

Wenn ein Ort in Europa solche Jewish Princesses hervorbringen kann, dann London. Im Norden der Stadt existiert eine unglaublich gut ausgebaute jüdische Infrastruktur: von Synagogen über koscheren Geschäften und jüdischen Kulturzentren bis zu chinesischen Restaurants, die ihre koscheren Angebote extra kennzeichnen. Jüdinnen und Juden können es sich in London problemlos (koscher) schmecken lassen. Neben einem Jewish Food Guide gibt es seit neuestem sogar eine kosher App für die britische Hauptstadt.

Ganz anders sieht es in Skandinavien aus, wie in den Installationen zu Reykjavík und Umeå zu sehen ist. Machen auch Sie sich auf die Reise und entdecken Sie Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede jüdischer Lebenswelten und lernen Sie sieben verschiedene Städte Europas aus einer besonderen Perspektive kennen.

Text: Anne Reis

Mehr zur Ausstellung „Jüdisches Europa heute. Eine Erkundung“ in unserem Ausstellungsarchiv.