Vorhang auf! «Heidi» auf der Bühne

Dem kleinen Alpenmädchen Heidi kann man nicht nur in ihren Büchern begegnen. Nebst Film und Fernsehen hat sich Heidi in Israel insbesondere mit Theaterstücken einen Namen gemacht. Seit den 1950er Jahren kommt «Heidi» mit originellen, hebräischen Adaptionen auf die Bühne. Die Stücke haben die Kindheitserinnerungen vieler geprägt – sowohl der Zuschauenden wie auch der Kinder auf der Bühne selbst.
Schwarz-Weiß-Foto, auf einer Bühne tanzen Jungen in Trachtenkostümen um ein Mädchen mit geflochtenen Zöpfen und Kleid herum.
Heidi und Ziegenhirten in «Heidi Bat HeHarim», Das Theater von Oz, Tif‘eret Theater, Rishon LeZion, Israel 1969, Foto: © Donny Inbar

Von Nurit Blatman

Nechama Krawczuk und Donny Inbar leben heute in Basel respektive in San Francisco. Doch als Kinder standen sie beide in Israel gemeinsam auf der Bühne und traten im Theaterstück «Heidi Bat HeHarim» [Heidi, Tochter der Alpen] des «Theater von Oz» auf. An diese Zeit erinnern sie sich bis heute gerne zurück.

Für die Aufführung wurden viele rund zehnjährige Kinder gesucht. Die «Heidi»-Adaption des «Theater von Oz» hatte einen besonderen Kinderfokus und führte eine Truppe Ziegenhirten in die Geschichte ein, die in der Romanvorlage so nicht vorkommen. Diese gemischte Gruppe, gespielt von Jungen und Mädchen, begleitete Heidi und Peter auf der Bühne, tanzte und sang mit.

Nechama wächst in Israel auf, doch hat sie seit ihrer Geburt einen Bezug zur Schweiz – ihre Mutter stammt aus Basel. So ist es auch ihre Mutter, die sie dazu ermutigt ans Vorsprechen der Theateraufführung zu gehen. Nechama wird als einer der Ziegenhirten gecastet. Donny Inbar spielt den Geissenpeter.

Die Kinder sind allesamt Laienschauspieler und als Freiwillige mit dabei. Mit ihnen stehen drei professionelle Schauspieler_innen auf der Bühne, die die Erwachsenenrollen einnehmen. Die Theateradaption reduziert die Erwachsenenfiguren auf drei: der Grossvater, die Tante und Klaras Grossmutter. Die Tante ist hierbei eine Verschmelzung der Tante Dete und Fräulein Rottenmeier. Die drei Hauptrollen Heidi, Peter und Klara werden von Kindern gespielt.

Geprobt wird in den Sommerferien oder nach der Schule, auch die Aufführungen finden dann statt. Besonders in den Ferien haben die Kinder ein volles Programm und bereisen ganz Israel. Insbesondere bleibt der Flug nach Eilat in Erinnerung. Nechama erzählt, dass dies ihr erstes Mal in einem Flugzeug gewesen sei.

Die Handlung auf der Bühne folgt im Wesentlichen der Romanvorlage in vereinfachter und gekürzter Form. Dazu kommen einige Additionen hinzu. So feiert Heidi zum Beispiel gemeinsam mit der Ziegenhirten-Truppe ihren Geburtstag in den Bergen. Als Heidi später an Heimweh erkrankt, besuchen sie Peter und die weiteren Ziegenhirte in einer Traumsequenz.

Ausstellungsvitrine mit Kinderkostüm und gezeichnetem Plakat
Ziegenhirtenkostüm in der Ausstellung «Heidi in Israel. Eine Spurensuche» im Jüdischen Museum München, Foto: © Eva Jünger

Die vielen Songtexte werden von Ehud Manor geschrieben. Manor wurde zu einem der populärsten Songschreibern Israels. Er schrieb unter anderem den Text von Israels erstem Sieg beim Eurovision Song Contest «Abanibi» im Jahr 1978. Musikalisch orientieren sich die Lieder in der «Heidi»-Adaption weniger an Schweizer Jodel-Klänge, sondern viel eher an zeitgenössischen Rhythmen und Musik.

Begleitend zur Aufführung wurde eine Schallplatte mit allen Songs aufgenommen. Die Aufnahmen im Tonstudio waren für die Kinder ein besonderes Erlebnis. Nechama hat sich die Schallplatte zuhause immer wieder mit ihrer Mutter angehört und mitgesungen. Bis heute hat sie damit ein Zeugnis davon, wie ihre Stimme als Kind klang.

Im Lied «Heidi hat Geburtstag» rätselt die Ziegenhirten-Truppe darüber, was im Überraschungspaket sein könnte. Die Kinder gehen alles möglich durch: von Tieren, über Alltagsgegenstände bis hin zu Essen ist alles dabei. Nechamas Solo: «Ulai Dubon?» [Vielleicht ein Bärchen?] Die Kinder fragen, ob es ein Bärchen, ein Hündchen oder vielleicht doch eine Henne aus Gold sei? Steckt in der Box ein Massstab, ein Stuhl oder gar Zitronensaft? Oder vielleicht sei es auch eine erfrischende, saftig-kühle Wassermelone. Es wird viel gerätselt und gereimt. Am Schluss erfreuen sich alle an der Überraschung: eine grosse Geburtstagstorte.

In den letzten zehn Jahren kommt es zwei Mal zu einer Reunion: 2014 und Anfang 2020 treffen sich Heidi, Peter, Klara und die Ziegenhirten-Truppe zu einem nostalgischen Wiedersehen. Es werden «Heidi-Erinnerungen» ausgetauscht, Fotos gezeigt und Geschichten erzählt. Einige der Truppe verfolgten als Erwachsene eine Karriere im Show-Business, auf der Theater-Bühne oder auch als Stand-Up-Comedians, eine «Heidi»-Darstellerin wurde sogar zur «Miss Israel» gekürt. Bei der Zusammenkunft werden die alten «Heidi»-Lieder gemeinsam gesungen, die die Truppe allesamt nach 50 Jahren noch auswendig kann.

Frau mit rotem Hut und gepunktetem Kleid sitzt an einem Tisch und hält den Ausstellungskatalog in die Kamera
Nechama Krawczuk mit dem Katalog zur Ausstellung «Heidi in Israel. Eine Spurensuche», Foto: Peter Büttner, Heidiseum

Die Freude der ehemaligen Kinder-Schauspieler war gross, als sie vom Projekt «Heidi in Israel» des Heidiseums hörten. Dank ihrer Unterstützung haben das damalige Geissenpeter-Kostüm, sowie die Schallplatte, Fotos und Plakate rund um die Aufführung ihren Weg in die Ausstellung und ins Jüdische Museum München gefunden.

Peter Büttner (Heidiseum) hat sich mit Nechama Krawczuk getroffen. Das ganze Gespräch mit Nechama können Sie hier hören. Darin spricht sie über die Verbindung zu Heidi, ihrer Mutter und der Schweiz. Wie sie mit gleich zwei verschiedenen Schweizerdeutsch-Dialekten aufgewachsen ist, erzählt sie ausführlich im Gespräch.

Die Aufführung des «Theater von Oz» war jedoch nicht die erste israelische «Heidi»-Produktion. Tatsächlich war dies bereits die dritte Bühnenadaption des Stoffes. Die erste Aufführung entstand 1956, die zweite 1963. An beiden Aufführungen hat der berühmte israelische Regisseur und Filmemacher Menachem Golan gearbeitet. Auch sollte «Das Theater von Oz» nicht die letzte Aufführung sein. In den folgenden Jahrzehnten werden neue Produktionen auf die Beine gestellt, mit verschiedenen Bearbeitungen und mit erwachsenen Schauspielern, die Heidi, Peter und Klara spielen. In den letzten zehn Jahren gibt es gleich zwei neue israelische Aufführungen: 2014 und 2020.