Bereits während des Zweiten Weltkriegs wurden jüdische Institutionen im Ausland auf den Massenraub von jüdischem Besitz durch die Nationalsozialisten aufmerksam. Man überlegte daher frühzeitig, welche Schritte eingeleitet werden sollten, um eine gerechte Restitutionspolitik in der Nachkriegszeit zu gewährleisten. Im April 1947 gründete sich schließlich in den USA die Jewish Cultural Reconstruction, Inc. (JCR). Bereits im Mai 1947 entstand ebenfalls in den USA die Jewish Restitution Successor Organization (JRSO). Beide, die JCR und die JRSO, bemühten sich um die offizielle Anerkennung als Nachfolgeorganisationen für geraubtes jüdisches Kulturgut, sogenanntes erbenloses Vermögen. Die beiden Initiativen arbeiteten schließlich Hand in Hand: Die JRSO wurde am 23. Juni 1948 als Nachfolgeorganisation für jüdisches Eigentum in der amerikanischen Besatzungszone anerkannt, die Anerkennung der JCR als Agentin der JRSO folgte am 15. Februar 1949.
Diese Entwicklung war in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Die Einsetzung von Nachfolgeorganisationen hob das bis dahin angewandte Territorialprinzip auf. Dabei waren Objekte an die Länder zurückerstattet worden, aus denen sie geraubt worden waren. Das hätte in der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg bedeutet, dass Kulturgüter an den deutschen Nachfolgestaat erstattet worden wären, also an den Täter. Die Anerkennung von JRSO und JCR sollte dies verhindern. Darüber hinaus agierten JRSO und JCR als Vertreter jüdischer Gruppierungen weltweit, unabhängig von Unterschieden und Gemeinsamkeiten. So konnte erstmals ein „jüdisches Kollektiv“ als anerkanntes Rechtssubjekt im internationalen Völkerrecht jenseits des Status einer nationalen Minderheit auftreten.
Geraubtes Kulturgut, das in der amerikanischen Besatzungszone entdeckt wurde, sammelte man in Depots und sogenannten Collecting Points. Dort stapelten sich neben zahlreichen Kunstwerken auch Bücher und türmten sich Ritualgegenstände. JCR und JRSO bemühten sich die Eigentümer oder deren Erben ausfindig zu machen. Scheiterte dieser Versuch, gab man die Objekte an jüdische Gemeinden und Institutionen. Einige gingen an neugegründete jüdische Gemeinden und die DP-Lager in Deutschland, das meiste jedoch gab man ins Ausland. Denn JRSO und JCR gingen nicht davon aus, dass sich in Deutschland dauerhaft wieder jüdisches Leben entwickeln würde. Die Objekte sollten aber in lebendigen Gemeinden genutzt werden und ihre Tradition und Geschichte an jüdischen Institutionen bewahrt werden.
Diese Einstellung zeigt sich auch in der Situation, mit der Mordechai W. Bernstein in Schnaittach konfrontiert wurde. Der Heimatforscher Gottfried Stammler hatte die Synagoge des Ortes nach 1938 in ein Heimatmuseum umgewandelt und stellte dort auch jüdisches Ritualgerät aus, das die Pogromnacht überstanden hatte. Wie Bernstein schreibt, verlangte die JRSO die Herausgabe dieser Objekte, Stammler jedoch wollte sie nur an eine Schnaittacher Gemeinde geben, sollte sich erneut eine solche gründen. Für die JRSO war dies keine Option, denn, wie erläutert, ging sie nicht davon aus, dass es zur Gründung einer jüdischen Gemeinde kommen würde. Die alliierten Gerichten gaben letztlich Stammler Recht. Bernstein konnte bei seinem Besuch in Schnaittach daher die Ritualgegenstände lediglich inventarisieren, nicht aber zu Restitutionszwecken für die JRSO mitnehmen.
Zitat in der Überschrift aus: Bernstein, Mordechai W.: Die „Gottesmutter“ im Schnaittacher Tora-Schrein. In: Purin, Bernhard/Winkler, Ayleen (Hg.): Mit Mordechai W. Bernstein durch 1700 Jahre deutsch-jüdische Geschichte. Mit Übersetzungen aus dem Jiddischen von Lilian Harlander und Lara Theobalt, S. 276-283, hier S. 280.