Zwölf Monate – Zwölf Namen: Moshe (Muni) Weinberg

Muni Weinberg kam 1972 als Trainer der Ringer mit der israelischen Olympiadelegation nach München. Am 5. September 1972 wurde er als erstes von zwölf Opfern von Terroristen getötet. Im Dezember 2022 gedenken das Jüdische Museum München, das NS-Dokumentationszentrum München, das Centrum für Jüdische Studien Graz, das Graz Museum und das Jüdische Museum Wien Weinberg mit einer Graphic Novel der Künstlerin Nina Prader.
Portrait Moshe Weinberg im Freien. Er trägt ein helles kurzärmeliges Hemd und lacht. Im Hintergrund sind Sträucher und ein Fahnenmast mit israelischer Flagge zu sehen.
Moshe (Muni) Weinberg, Israel, um 1970 © privat

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Muni Weinberg kommt am 19. September 1939 als Moshe Weinberger in Haifa im damaligen Palästina zur Welt. Seine Familie stammt aus Österreich. Die Eltern Elieser Ladislaus und Henrietta (Henya) Weinberger waren aus Graz geflohen, nachdem sein Großvater Moritz Weinberger nach der Festnahme bei den Novemberpogromen 1938 im Konzentrationslager Dachau schwer misshandelt war und an den Folgen starb. Moses Prucker-Kandl, der Großvater mütterlicherseits, nach dem Muni benannt wurde, war ebenfalls nach Dachau verschleppt worden, schaffte es aber mit seiner Frau Bronislava im April 1939 ins damalige Palästina zu fliehen. Nach der baldigen Trennung seiner Eltern wächst Muni bei den deutschsprachigen Großeltern Prucker-Kandl in Haifa auf. Als junger Mann änderte er seinen Nachnamen von Weinberger auf Weinberg.

Gruppenfoto, fünf Ringer mit ihrem Trainer.
Muni Weinberg (vorne links) und weitere Ringer mit ihrem Trainer Erwin Becker, Haifa, Israel, um 1955 © privat

Als Muni Weinberg ca. 14 Jahre alt ist, wird sein Nachbar Erwin Becker, ein ehemaliger Ringer aus Deutschland, sein Trainer und auch eine Vaterfigur. Weinberg wird bald selbst erfolgreicher Ringer: Er wird acht Jahre in Folge israelischer Jugendmeister und Nationalmeister im Mittelgewicht, sowie 1965 Gewinner der Makkabiade im Freistil-Ringen.

Er studiert von 1964 bis 1966 am Wingate Sportleistungszentrum, zusammen mit seinem besten Freund Israel Shmuely. In dieser Zeit wohnt er auch bei ihm und seiner Familie. Muni Weinberg liebt Kinder und zieht den Sohn seines besten Freundes, Aviram Shmuely, mit auf wie einen eigenen. Ab 1966 arbeitet und wohnte er als Trainer des Nationalteams in Wingate. Zusätzlich trainiert er das Team von HaPoel Tel Aviv. Er schätzt am Ringen den familiären Zusammenhalt und wird nun selbst eine Vaterfigur für seine Athleten, wie Becker es für ihn war. Gleichzeitig versucht er, diesen Sport logisch zu analysieren, zeichnet Diagramme und ist überzeugt, dass erfolgreich Ringende einem bestimmten Rhythmus folgen würden, der den Erfolg ausmachen würde, wie beim Tanzen.

Muni und Mimi Weinberg sitzen auf der Schwelle vor einem Haus. Sie lehnt sich an seine Schulter. Im Hintergrund Sonnenliegen und weitere Personen.
Muni Weinberg mit seiner Frau Mimi bei einem Ausflug, Golan, Israel, Dezember 1971 © privat

1971 heiratet Muni Weinberg seine dritte Frau Mimi (Miriam) und 1972 kommt ihr Sohn Guri auf die Welt. Kurz nach der Geburt reist Muni Weinberg zu den Olympischen Spielen in München, wo er die Ringer Eliezer Halfin, Gad Tsabari und Mark Slavin betreut. Es sind seine ersten Olympischen Spiele, aber er hat gute Chancen, dass einer seiner Athleten eine Medaille mit nach Hause birgt. Der junge Mark Slavin hatte sich erst vor wenigen Monaten im Arbeitersportverein HaPoel in Tel Aviv bei ihm vorgestellt und gleich seinen besten Ringer, Eliezer Halfin, besiegt. Sogar den extra eingeflogenen französischen Weltmeister von 1967, Daniel Robin, legte Slavin mühelos auf die Matte. Doch vor den Wettkampfterminen am 5. September 1972, besucht Muni noch am 1. September seine Mutter, die inzwischen in München lebt. Vier Tage später wird die israelische Delegation in ihrer Unterkunft im Olympischen Dort von Terroristen überfallen. Weinberg leistet den Terroristen Widerstand und wird dabei erschossen.

Ich war viele Jahre lang wütend auf ihn… Ich dachte, wenn er nicht versucht hätte, sie zu abzuwehren, hätte ich vielleicht einen Vater gehabt.

Sohn Guri Weinberg

Aviram Shmuely, der von Muni Weinberg mit aufgezogen wurde, nannte seinen ersten Sohn dessen Gedenken Dean Moshe, auch dieser wird erfolgreicher Ringer.

Text: Angela Libal; Recherche: Piritta Kleiner, Kuratorin des Erinnerungsortes Olympia-Attentat München 1972, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus

ZWÖLF MONATE – ZWÖLF NAMEN
50 Jahre Olympia-Attentat München

50 Jahre nach den Olympischen Spielen in München wird 2022 ganzjährig an das Olympia-Attentat am 5.-6. September 1972 erinnert. Jeden Monat steht dabei ein Opfer im Mittelpunkt des Gedenkens. Ihnen werden verschiedene Interventionen im öffentlichen Raum gewidmet, von Installationen, die den ganzen Monat über zu sehen sind, bis hin zu eintägigen Aktionen. Die Dokumentation der zwölf Gedenkformen ist auf der Homepage des Jüdischen Museums Münchens zugänglich, sowie in dem Buch „Zwölf Monate – Zwölf Namen“.

Konzipiert und koordiniert wird das Erinnerungsprojekt vom Jüdischen Museum München und vom NS-Dokumentationszentrum München in Zusammenarbeit mit dem Generalkonsulat des Staates Israel. Die Umsetzung erfolgt in Zusammenarbeit mit Kultur- und Bildungseinrichtungen sowie anderen Interessierten.

Dezember

Installation mit Sitzmöglichkeit auf einem farbigen Boden und einer Comic-Zeichnung vom Olympiastation an der Wand dahinter. An der Wand ist zu lesen "The Wrestlers".
Installation „Lesering“ im Studienraum des Jüdischen Museums München, © Daniel Schvarcz

Das Jüdische Museum München, das NS-Dokumentationszentrum München, das Centrum für Jüdische Studien Graz, das Graz Museum und das Jüdische Museum Wien erinnern im Dezember an Moshe (Muni) Weinberg mit der Graphic Novel „Die Ringenden“ von Nina Prader. Sie ist ein Kunstbuch und zugleich ein interaktives Kunstwerk in deutscher und englischer Sprache. Im Jüdischen Museum München und im Graz Museum wird diese im Rahmen der Installation „Lesering“ präsentiert — ein Raum für aktives Gedenken. Gemeinsam mit Nina Prader bieten das NS-Dokumentationszentrum München ein Vermittlungsprogramm an, das Jüdische Museum Wien und das Graz Museum in Zusammenarbeit mit dem Centrum für Jüdische Studien Graz Künstlerinnengespräche.