Darin wird berichtet, wie Esther, die Frau des persischen Königs, die Juden in Persien vor der Ermordung rettete. Das Datum für das Pogrom hatte der Hofbeamte Haman durch das Los willkürlich festgelegt und deswegen heißt der Name des Festes Purim, was im Hebräischen die Mehrzahl von Los bedeutet. In dieser Erzählung, die an Purim während des Gottesdienst in der Synagoge vorgetragen wird, ist Haman der Feind der Juden und es gilt für alle Anwesenden das auch lauthals zu unterstreichen. So wird jedes Mal wenn sein Name fällt losgepfiffen, mit Purimratschen gedreht – was einen wirklich unvorstellbaren Krach machen kann – mit den Füßen aufgetreten, eigentlich wird alles getan, was in irgendeiner Weise unüberhörbar ist. Das alles macht natürlich einen Riesenspaß und so lieben vor allem Kinder dieses Fest, ganz zu schweigen von der Kostümierung und dem vielen leckeren Essen. Doch wenn Purim von allen jüdischen Festen auch das fröhlichste ist, es hat einen ernsten Hintergrund und erinnert an die versuchte Ermordung und Vernichtung der Juden durch den Feind Haman.
Bis heute wird an Purim mit seinen traditionellen Straßenumzügen und Feiern, vor allem in Israel, der aktuelle Bezug im Hier und Jetzt gesucht und die biblische Erzählung aus der Zeit des persischen Weltreichs im 5. Jahrhundert v.d.Z. in die Gegenwart übersetzt. Der Feind der Juden, die biblische Figur Haman, verändert dabei immer wieder seine Gestalt. In den 1930er/1940er Jahren war er meist als Hitler dargestellt. 1934 wurde beispielsweise auf dem Purimumzug in Tel Aviv ein phantasievoll gestalteter Umzugswagen in Form eines mehrköpfigen Drachenwesens mit Hakenkreuzen von einem Hitler aus Pappmaché durch die Menschenmenge gezogen (siehe Foto oben).
In unserer aktuellen Wechselausstellung „Juden 45/90“ erzählt ein anderes Foto über eine weitere Purimfeier, bei der Hitler als Feind der Juden dargestellt wurde. Es zeigt die erste Purimfeier nach 1945 in München. Es ist eine Gruppe von 5 Männern, in der Mitte des Bildes ist einer der Männer als Hitler verkleidet, alle anderen stehen unverkleidet um ihn herum, legen ihm die Hände auf die Schulter und machen ihn zum Mittelpunkt dieser Aufnahme. Dieses Foto ist eines der vielen Objekte in dieser Ausstellung, die ganz im Gegensatz zu ihrer Größe stehen: Es erzählt etwas über die Zeit, in der die Schoa-Überlebenden und jüdischen Flüchtlinge, die als Displaced Persons in München und Umgebung zu Tausenden gestrandet waren, wieder begannen ihr Leben noch mal von Neuem zu ordnen. Die jüdische Tradition, jüdische Feste und Feierlichkeiten spielten dabei für viele von ihnen eine wichtige Rolle. Und dass es im Jahr 1946 in Deutschland wieder möglich war, Purim zu feiern und dabei ganz direkt den Feind zu benennen, sich als Hitler zu verkleiden und für die Kamera zu posieren, war sicher für viele ein wichtiger Schritt auf dem Weg ihres Neubeginns gewesen. Auch darüber erzählt dieses Bild.