Hering aus dem Fleischwolf

Unsere Gastautorin Marina Maisel bereitet gemeinsam mit Minna Roytmann Vorschmack zu – eine Vorspeise nach jüdischem Familienrezept.
Ein Teller mit dem filetierten Fisch und Schüsseln mit weiteren Zutaten neben einem handgeschriebenen Rezept
Zutaten für den Vorschmack und Minna Roytmanns Familienrezept, Foto: © Marina Maisel

Von Marina Maisel

Genau vor zwanzig Jahren kamen Minna und Arnold als Kontingentflüchtlinge aus Kiew nach München. In ihrer Küche in München-Neuperlach zeigt mir die 85-jährige Minna, wie man den besten Vorschmack – eine Art Hering-Aufstrich – zubereitet.

Auf dem Tisch liegt ein altes Rezeptheft, das noch von Minnas Mutter begonnen wurde. Das Rezept vom Vorschmack hat Minna – natürlich per Hand – selbst hineingeschrieben. Hier in Deutschland wurde das Rezept ein wenig verfeinert: „In der Ukraine haben wir nur drei Sachen genommen: Hering, weißes Brot und Zwiebeln“. Zu Minnas Rezept sind inzwischen einige Zutaten dazugekommen: Eier, Äpfel, Zitronensaft und Butter. Und, was Minna wichtig ist: Sie nimmt Mazza statt Weißbrot. Dabei erinnert sie sich, wie sie damals in Kiew für ihre Tante Mazzot besorgt haben: „In der Nacht sind wir zur Synagoge gefahren und haben in der Schlange gestanden, um Mazzot zu bekommen. Das war unser jüdisches Leben. Und dass Arnold einmal im Jahr an Jom Kippur meinen Onkel zur Synagoge brachte – mehr war es nicht.“

Seit ihrem Umzug nach München nehmen jüdische Traditionen einen größeren Raum in Minnas Leben ein: Sie lernt viel über das Judentum, besucht regelmäßig die Synagoge und ist sehr aktiv in der Gemeinde. Und auch die jüdische Küche ihrer Familie hat einen viel größeren Stellenwert: „Natürlich haben wir in Kiew auch Vorschmack gemacht und gefilte Fisch, aber nicht so oft wie hier. Hier mache ich Vorschmack zu jedem jüdischen Feiertag.“

Besonderen Wert legt Minna auf den Hering, den sie nur als ganzen Fisch verwendet. Mit geschickten Bewegungen löst sie zwei Filets aus dem Fisch. Der Fleischwolf erledigt dann den Rest und in ein paar Minuten ist der Hering-Aufstrich fertig. Zu guter Letzt schmeckt Minnas Mann Arnold den Vorschmack noch ab – ein Ritual, das die beiden seit 64 Jahren pflegen.

Rechts: Porträt Minna Roytmann, links: eine Schale mit fertigem Vorschmack
Minna Roytmann und ihr selbstgemachter Vorschmack, Foto: © Marina Maisel

Rezept

Zutaten

  • 1 Hering (ganzer Fisch)
  • 1 mittelgroße Zwiebel
  • 1 grüner Apfel
  • 1 EL Zitronensaft
  • 2/3 von einem Mazza-Blatt in Wasser eingeweicht (bei Bedarf mit etwas Essig) / alternativ 1/2 eingeweichte Semmel
  • 50 g Butter
  • 1 gekochtes Ei
  • 1 Prise Zucker
  • 1 Prise schwarzer Pfeffer
  • 1 Prise Salz

Zubereitung

Den ganzen Hering von Kopf, Haut, Innereien und Gräten befreien und zwei Heringsfilets auslösen.

Etwa 2/3 von einem Mazza-Blatt in Wasser einweichen.

Die Zwiebel in Stücke schneiden. Den Apfel schälen, in Stücke schneiden und mit Zitronensaft bespritzen. Das Ei hart kochen und das Eiweiß vom Eigelb trennen.

Dann werden Heringsfilets, Zwiebel, Apfel, Eiweiß und die eingeweichte Mazza, die zuvor etwas ausdrückt wird, durch den Fleischwolf gedreht.

Zuletzt das Eigelb mit der Gabel zerkleinern, mit etwas Zucker, Salz und Pfeffer würzen und zusammen mit der Butter in die Masse einrühren.

Den Vorschmack vor dem Servieren für ein paar Stunden in den Kühlschrank stellen.

Guten Appetit!