JMM: Sie haben kürzlich Ihre Weiterbildung zur Goldschmiedemeisterin an der Städtischen Meisterschule für das Gold- und Silberschmiedehandwerk abgeschlossen. Wir gratulieren zum Meistertitel! Wie sind Sie dazu gekommen, Goldschmiedin zu werden?
TT: Ich wollte immer etwas Handwerkliches machen. Ich finde den Prozess schön, wenn jemand kommt, der gerne ein besonderes Stück hätte, zum Beispiel Eheringe. Dass man diesen persönlichen Wunsch dann umsetzen und dem Gegenüber so Freude schenken kann, das war einer der Gründe, warum ich mich als Goldschmiedin beworben habe. Da ich in einem Familienbetrieb der Metallverarbeitung aufwuchs, war Metall nichts Neues für mich.
JMM: 2021 nahmen Sie an einem Wettbewerb teil, initiiert von der Danner-Stiftung zur Förderung des Kunsthandwerks in Bayern. Aufgabe war es, Tora-Schmuck für die jüdische Gemeinde in Garmisch-Partenkirchen zu entwerfen. Wir sehen hier die Rimonim vor uns, also Aufsätze für die beiden Rollenstäbe der Tora. Was steckt hinter Ihrem Entwurf, den Sie „Zwei Gewalten“ genannt haben?
TT: Die Gestaltung symbolisiert die jüdische Religion und die nicht-jüdische Gesellschaft, die lange harmonierten und nun nach dem gewaltsamen Bruch wieder zusammenfinden. Die Form erinnert auch an den Granatapfel, der das Leben symbolisiert. Ich habe viel überlegt, auf der Suche nach der perfekten Form. Es sollte auch etwas Modernes sein.
JMM: Mit welchen Materialien und welcher Technik fertigen Sie die Rimonim an?
TT: Die Rimonim bestehen aus Silber. Das Material wird in Form geschmiedet und getrieben. Später werden die einzelnen Teile verlötet und die Oberfläche veredelt. Eine Seite wird matt geschlagen, eine Seite hat einen schicken Hammerschlag.
JMM: Welchen Arbeitsschritt sehen wir hier gerade vor uns?
TT: Wir sehen hier die Schalen der Klangkugeln, in der sich ein kleiner Messingquader befindet. Der erzeugt später zusammen mit dem Klangkamm den Ton. [Anm. JMM: Rimonim haben traditionell Glöckchen, die das Hochheben der Tora-Rolle während des Gottesdienstes akustisch begleiten.] Als Nächstes wird die Kugel zugelötet. Danach geht es darum, sie von außen zu versäubern. Die Kugel wird an einem kleinen Draht aufgehängt und erzeugt später bei Bewegung einen Ton. Wie genau sie klingt, hören wir dann ganz am Ende. Hinter dem genauen Aufbau der Klangkörper steckt viel Probieren. Eine Anleitung gab es nicht. Die Arbeit an dem Modell vom ersten Entwurf bis zur Fertigstellung dauert ungefähr drei Wochen.
JMM: Es ist sehr spannend, die Möglichkeit zu haben, einem Objekt bei seiner Entstehung zuzusehen. Normalerweise können wir nur anhand von Marken oder Punzierungen Rückschlüsse über die Personen ziehen, die die Gegenstände hergestellt haben.
TT: Genau, Goldschmiedearbeiten kommen meist ins Museum, wenn die Künstler schon verstorben sind. Deshalb fühle ich mich sehr geehrt und freue mich, wenn die Rimonim fertig sind und dem Museum übergeben werden. Ich habe mir jetzt auch offiziell eine Meisterpunze anfertigen lassen. Die beiden Rimonim sind mit der Mondsichel (Zeichen für Silber), Krone, mit dem Feingehalt und mit meinem Meisterpunzen, meinem Logo sozusagen, gestempelt.
JMM: Vielen Dank für das Interview.