Von Sandra Moser
In den frühen Morgenstunden des 5. September 1972 nehmen palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf in München elf israelische Sportler als Geiseln. Zwei Sportler werden noch im Olympischen Dort getötet. Verhandlungen mit den Terroristen scheitern. Am Abend werden die Geiselnehmer und die verbliebenen neun Geiseln in Helikoptern zum Fliegerhorst Fürstenfeldbruck gebracht. Hier misslingt die Befreiung und alle Geiseln sowie ein bayerischer Polizist sterben. Der Flugplatz wird für immer untrennbar mit dieser Tragödie verbunden sein.
Seit vielen Jahren hat es sich daher der Landkreis Fürstenfeldbruck zur Aufgabe gemacht, das Gedenken an die Opfer zusammen mit deren Angehörige hochzuhalten. Jährlich findet in Fürstenfeldbruck am 5. September eine Gedenkveranstaltung statt. Da allerdings der Ort des Geschehens, das ehemalige Rollfeld vor dem Alten Tower, voraussichtlich bis 2026 noch militärischer Sicherheitsbereich der Bundeswehr sein wird, ist das Erinnern und Gedenken in der Regel nur vor den Toren des Fliegerhorts möglich. Daher wurde nun die Initiative einer kreativen Lösung ergriffen und ein digitaler Erinnerungsort gestaltet, welcher ortsunabhängig und dauerhaft erreichbar ist. Dieser wurde 2022 zum 50. Jahrestages des Olympia-Attentats veröffentlicht.
Ein Projekt – drei Elemente
Entstanden ist eine Website, die über das Attentat und über die Geschehnisse vom 5. September 1972 aufklärt, den zwölf Opfern gedenkt sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu Wort kommen lässt. Mit verschiedenen Themenblöcken widmet sich die Website den verschiedenen Aufgaben der Erinnerungsarbeit: Dem Erinnern, dem Gedenken, dem Zurückblicken und dem Mahnen. Die vom Landkreis geführten Zeitzeugeninterviews bilden einen wichtigen Bestandteil des digitalen Erinnerungsorts.
Parallel zur Website wurde eine App mit Augmented Reality-Elementen entwickelt. Sie bietet die Chance, den Alten Tower und das Rollfeld als Teil des Erinnerungsortes greifbar zu machen, solange dieser der Öffentlichkeit noch verschlossen bleibt, denn sie kann auch im sogenannten „Zuhause-Modus“ genutzt werden. Über ein mobiles Endgerät erhält man Informationen zum Geschehen, Fotos aus dem Jahr 1972 überblenden aktuelle Aufnahmen, während per Audio die Ereignisse nacherzählt werden.
Seit Januar 2023 ist der digitale Erinnerungsort auch in den sozialen Netzwerken vertreten. Auf Facebook und Instagram werden unter „erinnerungsort72“ die Inhalte und Funktionen der Website und App vorgestellt, über die Geschehnisse vom 5. September 1972 informiert, den zwölf Opfern des Attentats gedacht und vor Hass und Antisemitismus gemahnt. Neben der Aufklärung besteht hier außerdem die Möglichkeit, auf aktuelle Themen und Veranstaltungen Bezug zu nehmen.
Mit diesen drei Ansätzen sowie der mehrsprachigen Ausrichtung richtet sich der digitale Erinnerungsort über den Landkreis Fürstenfeldbruck hinaus an Interessierte jeden Alters. Das Projektteam versteht die virtuelle Gedenkstätte nicht als Übergangslösung, denn auch nach der Öffnung des authentischen Ortes als Gedenkstätte können Website und App ergänzend zum Besuch vor Ort, aber auch ortsungebunden genutzt werden.
Die Website ist zu finden unter: www.erinnerungsort-fuerstenfeldbruck1972.de, die App kann im Google Play Store sowie im Apple Store unter dem Namen “Erinnerungsort 72“ heruntergeladen werden.