Michaela Meliáns temporäre Installation „Maria Luiko, Trauernde, 1938“ spielt mit Gegensätzen: Auf der einen Seite die verhüllte Neptunstatue, die 1937 im Rahmen der Umgestaltung des Alten Botanischen Gartens durch die Nationalsozialisten errichtet wurde. Der Bildhauer, Joseph Wackerle, wurde später in Adolf Hitlers Liste der „Gottbegnadeten“ aufgenommen. Auf der anderen Seite Maria Luikos „Trauernde“, der nur ein Jahr später entstandene Holzschnitt einer anonymen trauernden Frau. Maria Luiko, 1904 als Marie Luise Kohn in München geboren, gehört zu der „vergessenen Generation“ im Nationalsozialismus verfolgter Künstler_innen. 1933 wird sie aus dem Reichsverband bildender Künstler ausgeschlossen und erhält Ausstellungsverbot. Bis 1939 engagiert sie sich im Jüdischen Kulturbund und dem Marionettentheater Münchner Jüdischer Künstler. In dieser Zeit entsteht ein Großteil ihrer grafischen Arbeiten, in denen sie sich kritisch mit den gegenwärtigen Lebensverhältnissen und Alltaggsituationen auseinandersetzt. Am 20. November 1941 wird Luiko gemeinsam mit ihrer Schwester und ihrer Mutter nach Kaunas deportiert, wo sie mit über 900 als jüdisch verfolgten Münchner_innen erschossen wird. Wie viele Weggefährt_innen gerät Maria Luiko in Vergessenheit.
Joseph Wackerle dagegen kann nach Kriegsende an seine Karriere als Bildhauer anknüpfen. Kein Einzelfall: Das Deutsche Historische Museum hat im Rahmen seiner Ausstellung „Die Liste der ‚Gottbegnadeten‘. Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik“ knapp 300 Werke „gottbegnadeter“ Künstler im (halb)öffentlichen Raum in Deutschland und Österreich recherchiert, fast 40 davon in München. Wie umgehen mit vorbelasteten Denkmälern wie diesen? Die Frage stellt sich Städten und Gemeinden nicht nur in Bezug auf Denkmäler aus der NS-Zeit, sondern auch vermehrt hinsichtlich kolonialer und anderer gewaltverherrlichender Darstellungen. Public Art München und das Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur des Kulturreferats hat aus diesem Grund die Reihe „past statements. Denkmäler in der Diskussion“ ins Leben gerufen, in der unter anderen Projekten Michaela Meliáns „Maria Luiko, Trauernde, 1938“ zu sehen ist.
Wie in früheren Arbeiten (Memory Loops, Föhrenwald) bezieht sich Melián mit ihrer Installation im Alten Botanischen Garten auf die Bedeutungsschichten des Ortes. Bis 1931 stand hier der Münchner Glaspalast, ein wichtiger Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst, in dem Maria Luiko ab 1924 regelmäßig ausstellte. Nachdem der Glaspalast durch einen Brand zerstört wurde, beschlossen die Nationalsozialisten 1935 die Umgestaltung des Parks, der fortan eine Achse zwischen dem NS-Parteiviertel rund um den Königsplatz und dem Münchner Justizpalast bildete. Meliáns Intervention bildet einen starken Kontrast zu dem monumentalen Ensemble: Das mit Mesh-Plane eingehüllte Gerüst erinnert an eine Baustelle. Der darauf zu sehende Holzschnitt zeigt eine Figur, die ihr Gesicht mit einem Tuch verhüllt. Ihre Hände sind faltig, die Ärmel einer geblümten Bluse deuten an, dass es sich entsprechend dem Titel um eine weibliche Figur handelt. „Diese anonyme trauernde Frau soll nun den kraftstrotzenden männlichen Neptunkörper in der Herrscherpose verhüllen“, schreibt Melián in ihrem Konzeptentwurf.
Die Installation „Maria Luiko, Trauernde, 1938“ ist bis zum 18. November im Alten Botanischen Garten (Elisenstraße, 80333 München) zu sehen. Dieses und weitere Projekte finden Sie auf der Projektwebsite von „past statements. Denkmäler in der Diskussion“.
Im digitalen Gedenkalbum: Die jüdische Künstlerin Maria Luiko (1904–1941) präsentieren das Münchner Stadtmuseum, die Städtische Galerie im Lenbachhaus, das Stadtarchiv München und das Jüdische Museum München Werke von Maria Luiko. Mehr zum Leben Maria Luikos können Sie im Beitrag zur Reihe #FemaleHeritage auf unserem Blog nachlesen: #FemaleHeritage: Zwei Künstlerinnen von der Isar.